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Heute ist  .
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03.03.2004
Kirchenleitung reagiert mit Leitfaden
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Nachdem in Dortmund ein ehemaliger Amtsträger und Sonntagsschullehrer zu drei Jahren Haft verurteilt worden ist, weil er in einem Nebenraum einer Kirche ein schwerbehindertes Mädchen sexuell missbraucht hat, will die Neuapostolische Kirche nun einen Leitfaden zum „Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Seelsorge“ herausgeben. Die innerkirchliche Projektgruppe „Gegenwartsfragen“ beschäftigt sich laut einem Bericht des Internetmagazins Glaubenskultur.de bereits seit März vergangenen Jahres mit dem Thema. Nach Auskunft von Apostel Werner Kühnle, dem Vorsitzenden der Projektgruppe, wird der geplante Leitfaden voraussichtlich im Herbst fertig sein. Nachdem die Grundzüge des Papiers bereits genehmigt seien und die Bezirksapostel das Vorhaben uneingeschränkt unterstützt hätten, beschäftige sich die Projektgruppe derzeit mit der Einrichtung von Prüf- und Beratungsgremien in den einzelnen Gebietskirchen.
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Strafe „unterdurchschnittlich“ – Täter isoliert
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Der Auslöser, sich mit dem Thema zu beschäftigen, liegt mehr als ein Jahr zurück. Im Dezember 2002 hatte ein Sonntagsschullehrer ein schwerbehindertes Mädchen in einem Nebenraum einer neuapostolischen Kirche in Dortmund sexuell missbraucht. Der ehemalige Diakon ist kürzlich von einem Gericht zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Um eine Befragung und Begutachtung des Opfers zu vermeiden, stellte das Gericht die Anklage wegen des „Missbrauchs von Widerstandsunfähigen“ – das sind Menschen, die sich nicht wehren können – ein. Der Aspekt wurde jedoch beim Strafmaß berücksichtigt. Die Strafe von drei Jahren Haft betrachtete die Kammer laut einem Bericht der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 11. Februar 2004 als „unterdurchschnittlich“.
Der Richter habe dies damit begründet, dass der Täter bereits jetzt gesellschaftlich völlig isoliert sei. Er lebe in Scheidung und sei in seiner Kirchengemeinde, die zuvor sein Lebensinhalt war, inzwischen völlig isoliert. Außerdem habe er als Sexualstraftäter im Vollzug mit erheblichen Repressalien zu rechnen.
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Der Medienreferent der NAK International, Bezirksevangelist Peter Johanning, bestätigte auf Anfrage von naktuell.de den Sachverhalt. Johanning teilte mit, bereits ganz am Anfang, als der erste Verdacht geäußert worden sei, sei der Diakon von seinem Amt und seiner Aufgabe als Sonntagsschullehrer entbunden worden. Die Eltern hätten zudem Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Alles weitere hätten dann die polizeiliche Ermittlungen ergeben. Ein Rundschreiben an die örtlichen Gemeinden gab es jedoch nicht, weil die Eltern des Mädchens dies so gewünscht hätten und die Kirchenleitung ohnehin nicht in das laufende Gerichtsverfahren habe eingreifen dürfen. „Selbstverständlich aber fanden vertrauliche Gespräche mit allen Betroffenen statt“, so Peter Johanning. Ferner sagte er, weitere Fälle von sexuellem Missbrauch in der Seelsorge aus der jüngeren Zeit seien ihm nicht bekannt.
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Anmerkung der Redaktion
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Wir haben dieses Thema nicht aufgegriffen, um zu schockieren oder der Verbreitung von Sensationsmeldungen Vorschub zu leisten, sondern weil das Verschweigen, Tabuisieren oder Verharmlosen von Missbrauch (in allen Teilen der Gesellschaft) den Boden für weitere Vorfälle bereitet – oder wie es der bedeutende Autor und Moral-Schriftsteller Max Frisch
(1911–1991) in seinen „Briefen“ formulierte: „Das Schweigen zu einer Untat, die man weiß, ist die allgemeinste Art unserer
Mitschuld.“
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Jens Joachim, 03.03.2004 (ergänzt am 12.03.2004)
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Artikel im Forum kommentieren
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Bild zum Thema
„Netter Onkel, böses
Spiel“ – Aktuelles Plakat
der Kindernothilfe
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Hintergrund
Nach Angaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend werden allein in Deutschland jährlich etwa 15.000 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch erfasst. Die Dunkelziffer ist weitaus höher. Rund drei Viertel der Opfer sind Mädchen.
Zwei Drittel der sexuellen Gewalthandlungen gegen Kinder werden im familiären Umfeld begangen. Die Opfer leiden meist ein Leben lang unter den Folgen des ihnen zugefügten Leids.
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Links zum Thema
„Kindesmissbrauch wirksam bekämpfen“ – Mitteilung
des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (29.01.2003)
bmfsfj.de/...
Weitere Informationen zum Thema sind beim Verein ECPAT, der Arbeits-
gemeinschaft zum Schutz
der Kinder gegen sexuelle Ausbeutung, erhältlich.
ecpat.de
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Presseartikel
„Behinderte in der Kirche missbraucht“ – 
Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 11.02.2004
Abbildung
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