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01.03.2011
Stammapostel greift in Diskussionen
um Kirchenverständnis ein
Bild: EZW
Dr. Michael Utsch, Referent für den Bereich
»christliche Sondergemeinschaften«
bei der Evangelischen Zentralstelle für
Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin,
kommentiert die jüngsten Entwicklungen
in der Neuapostolischen Kirche
rund um das neue Kirchenverständnis.
GAST-BEITRAG
VON DR. MICHAEL UTSCH
K
ann man einen Katechismus modifizieren, ohne zentrale Glaubensüberzeugungen aufzugeben? Die Neuapostolische Kirche (NAK) versucht seit einigen Jahren diesen
Spagat und ist dabei bemüht, weder die konservativen noch die progressiven Kräfte in ihrer Kirche zu verprellen. Für 2011 hat die Kirchenleitung der NAK angekündigt, dass zentrale Lehrinhalte des für 2012 angekündigten Katechismus, in denen sich Änderungen ergeben haben, schon vorab in kircheneigenen Medien wie etwa der Mitgliederzeitschrift »Unsere Familie« zu veröffentlichen. Dies erfolgt ganz zeitgemäß auch im Internet.
Internet beschleunigt Entwicklungsprozesse
Als eine weitere Maßnahme wurde den NAK-Amtsträgern in der Februar-Ausgabe der internen Zeitschrift »Leitgedanken« (Sondernummer 2/2011, Anm. der Red.) das neue Kirchenverständnis der NAK mitgeteilt. Dieser Ausschnitt des neuen Katechismus rief heftige Reaktionen an der Kirchenbasis hervor. Nachdem ein Hannoveraner Bezirksältester allen Mitarbeitern seines Bezirks mitgeteilt hatte, dass er das neue Kirchenverständnis nicht vertreten könne, schlossen sich ihm viele andere an. In einer öffentlichen Internet-Liste haben sich mittlerweile zahlreiche Amtsträger aus allen deutschen Gebietskirchen vom neuen Kirchenverständnis distanziert.
Die Informationsplattform Internet hat mit seiner ungefilterten Meinungsvielfalt dazu beigetragen, Entwicklungsprozesse in der NAK zu beschleunigen. Die autonomen Internetforen sind jedoch kürzlich vom Stammapostel kritisiert worden, weil sie keine sachgemäßen Diskussionen, sondern Polarisierungen fördern würden. Bei Lehrfragen sollen man den Bezirksapostel, nicht jedoch Kirchenmitglieder konsultieren und sich eine eigene Meinung bilden. Ob im Zeitalter des Internet diese Informationspolitik angemessen ist, erscheint fraglich.
Besonders das exklusive Kirchenverständnis rief bei den Lesern der »Leitgedanken« Kritik hervor. Zwei Zitate aus den »Leitgedanken« (2/2011, 5 und 6) belegen dies:
• »Die Kirche bedarf, um ihrer Aufgabe in allen Aspekten gerecht zu werden, des Apostelamtes. Wo das Apostelamt in der Einheit mit dem Stammapostel, der den Petrusdienst versieht, vorhanden ist, gibt es das geistliche Amt und die rechte Verwaltung der drei Sakramente.«
• »In der neuapostolischen Kirche … ist das möglich, was in den anderen Institutionen, die zur sichtbaren Kirche zählen, wegen der Ablehnung der gegenwärtig wirkenden Apostel nicht ausgeführt werden kann, nämlich die Wiedergeburt aus Wasser und Geist zu ermöglichen und Heiliges Abendmahl mit der wahren Gegenwart von Leib und Blut Jesu zu feiern.«
Diskussionen mit bedrohlicher Eigendynamik
Die Diskussionen an der Kirchenbasis gerade über diese Sätze nahmen eine bedrohliche Eigendynamik an. Deshalb ergriff Stammapostel Wilhelm Leber in einer »Offiziellen Verlautbarung« am 28. Februar erneut das Wort. Darin verteidigte er das »sehr weit« angelegte neue Kirchenverständnis der NAK, in dem alle christlichen Kirchen Platz hätten.
Er selber sieht darin »eine bemerkenswerte Öffnung« und eine klare Abkehr von der ehemals streng exklusiven Haltung, die eine gute Basis für ökumenische Kontakte darstelle.
Gleichzeitig wies er die Befürchtung konservativer neuapostolischer Kreise zurück, dass damit das Apostelamt nichts mehr wert sei. Das »gegenwärtig wirksame Apostelamt« stelle für neuapostolische Christen einen Mehrwert dar, der auf keinen Fall aufgegeben werde. Um aber auch der Kritik progressiv gesinnter Mitglieder der NAK zu begegnen, fasste das Kirchenoberhaupt noch einmal die Fortschritte des neuen Kirchenverständnisses prägnant zusammen:
• »Ja,  andere – nichtneuapostolische – Christen sind nicht vom Heil ausgeschlossen.«
• »Ja, der Geist Gottes kann auch außerhalb der Neuapostolischen Kirche wirksam sein.«
• »Ja, es ist denkbar, dass auch nichtneuapostolische Christen bei der Wiederkunft Christi angenommen werden.«
• »Ja, auch Geistliche anderer Konfessionen können Werkzeuge in der Hand Gottes sein und vielfältige segensreiche Dienste verrichten.«
Öffnungsprozess bleibt Gratwanderung
Die ausgewogene Stellungnahme des Stammapostels nahm sowohl den konservativen wie progressiven Kritiken am Kirchenverständnis den Wind aus den Segeln. Dennoch ist die Strategie, den neuen Katechismus auf Raten zu veröffentlichen, gefährlich. Denn würde die deutsche Fassung komplett veröffentlicht, dann könnten die einzelnen Zitate im Gesamtkontext des Katechismus eingeordnet werden. Vermutlich würde man neben dem Alleinstellungsmerkmal des Apostelamtes andere, ökumenisch verträgliche Akzente finden. Das doppelte Heilsverständnis im neuen Katechismus der NAK schlägt sich besonders im Amts- und Sakramentverständnis nieder, es erschließt sich aber nur im Gesamtzusammenhang. Durch Teilpublikationen werden neue Fragen aufgeworfen, die nur mit Mutmaßungen beantworten werden können.
Nachdem schon die Erläuterungen zu den neuen Glaubensartikeln angegriffen wurden, geriet nun die Kirchenleitung der NAK wegen ihres Kirchenverständnisses unter Druck. Erneut kam die Kritik nicht aus dem konservativen, sondern dem liberalen Lager. Der Öffnungs-Prozess der NAK bleibt eine Gratwanderung, dessen Ausbalancierung der Kirchenleitung weiterhin viel Fingerspitzengefühl abverlangen wird.
Dr. Michael Utsch, 01.03.2011
Dieser Beitrag erscheint in Ausgabe 04/2011 der Zeitschrift »Materialdienst« der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW). Vorabveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Links zum Thema
»Kirchenbasis bezieht Position« – Erklärung des Bezirksältesen Thomas Feil
 (Hannover, 18.02.2011) und Unterschriftenliste, via Glaubenskultur
glaubenskultur.de/…
»Stellungnahme zum neuen Kirchenverständnis« –
Offizielle Verlautbarung von Stammapostel Wilhelm Leber (Zürich, 28.02.2011)
nak.org/de/news/…
Website der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW)
ezw-berlin.de

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