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06.07.2005
Getrennt marschieren – gemeinsam feiern
Anlässlich der Studientagung zum „Selbstverständnis apostolischer Kirchen und Gemeinschaften als Kirche Jesu Christi“ am 25. Juni 2005 in Halle/Saale standen Vertreter
Teilnehmer der Podiumsdiskussion
Prof. Dr. Helmut Obst
Seminar für Ökumenik und Religionswissenschaft, Theologische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Dr. Harald Lamprecht
Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens
Detlef Lieberth
Apostel (Apostolische Gemeinschaft)
Heinrich Matschenz
Apostel (Apostelamt Juda)
Volker Kühnle
Apostel (Neuapostolische Kirche Süddeutschland)
Siegfried Richter
Prophet (Apostelamt Jesu Christi)
Wolfgang Hähnel
Laienhelfer (katholisch-
apostolische Gemeinden)
verschiedener Apostelgemeinden in einer Fragestunde den zahlreich versammelten, überwiegend neuapostolischen Tagungsbesuchern, Rede und Antwort.
Dieser Bericht fasst alle wesentlichen Fragen und Positionen aus der Podiumsdiskussion zusammen. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die hier transportierten Aussagen in freier Rede formuliert wurden und daher nicht den Stellenwert einer amtlichen Verlautbarung haben können. Dennoch sind sie geeignet, ein aufschlussreiches Bild der vielfältigen Auffassungen und Haltungen heute existierender Apostelgruppen aufzuzeigen. Eine vollständige und offizielle Dokumentation mit allen Redebeiträgen und weiteren Momentaufnahmen dieser außergewöhnlichen und in dieser Besetzung wohl einmaligen Veranstaltung wird im Frühherbst als Publikation im Verlag der Franckeschen Stiftungen (Halle) erscheinen.
Professor Dr. Helmut Obst, der Gastgeber der Studientagung, eröffnete die Podiumsdiskussion am Nachmittag mit einer Einstiegsfrage an Apostel Volker Kühnle (Neuapostolische Kirche), für die er schallenden Applaus erntete: „Herr Kühnle, was muss ich tun, damit ich selig werde?“ Der Angesprochene reagierte angesichts der heftigen Reaktionen des Publikums im Saal zunächst etwas pikiert: „Wären wir bei einem Fußballspiel, könnte ich jetzt die Foulkarte zeigen.“ Dann machte Kühnle deutlich, dass er die Frage jedoch so verstanden habe: „Gibt es nur exklusive Seligkeit und exklusives Heil?“
Vollständiges Heil nur „mit dem Stammapostel“
In seiner Antwort ließ Apostel Kühnle keinen Zweifel an der unverändert auf Abgrenzung bedachten Grundhaltung der neuapostolischen Kirchenleitung aufkommen. Ohne wenn und aber sagte er: „Nach unserer Glaubensüberzeugung ist vollständiges Heil dort, wo das Apostelamt mit dem Stammapostel in der heilsvermittelnden Tätigkeit im Auftrag und Namen Jesu tätig ist.“ Grundlegend sei das Annehmen von Wort und Sakrament, wie es von den Aposteln in der Kirche verwaltet werde. Dem gegenüber stellte Kühnle aber auch fest, es sei „selbstverständlich“, dass die Entscheidung über das Heil letztlich dem souveränen Handeln und Entscheiden Gottes obliege.
Professor Obst entgegnete, dass seine Eingangsfrage nicht etwa unangenehm gemeint gewesen sei. Nach den ersten Ausführungen des NAK-Apostels müsse sich nun jeder die Frage beantworten: „Um selig zu werden, muss ich dann früher oder später neuapostolisch werden?“ Andererseits würde ein Katholik aber auch sagen: „Wer in die volle Gemeinschaft der Kirche treten will, muss in die Gemeinschaft mit dem Papst eintreten.“ Solche Positionen seien bekannt und diese müsse man sich gegenseitig auch voll zumuten können, betonte Obst. „Ob uns das nun passt oder nicht, sondern das müssen wir zur Kenntnis nehmen und müssen es auch jeweils akzeptieren. Deshalb habe ich diese Frage auch so gestellt.“
Apostel Kühnle führte weiter aus: „Wenn ich als Ziel die Teilhabe an der Wiederkunft Jesu Christi habe, und glaube und bekenne, dass dafür Apostelwirksamkeit heilsvermittelnd ist, dann muss ich Ihre Frage so beantworten: Wenn sie diese Seligkeit meinen – ja, dann müssen sie irgendwann neuapostolisch werden.“ Mit Blick auf die Teilnahme an der „Hochzeit des Lammes“ sage man in der NAK: „Wir wollen hier in der Apostelnachfolge stehen, weil es eben Jesunachfolge ist.“ Und darin sei auch die heilsvermittelnde Wirkung zu erleben, so der Apostel.
„Glaube an Jesus, und du wirst gerettet“
Anschließend richtete Professor Obst die gleiche Frage auch an die Vertreter der anderen apostolischen Gemeinschaften. Zunächst erklärte der Leiter des Apostelamts Juda – Gemeinschaft des göttlichen Sozialismus (AJ), Heinrich Matschenz, dass man sicherlich nicht Mitglied seiner Gemeinde werden müsse, um selig zu werden. Voraussetzung zur Erlangung der Seligkeit sei es jedoch, sich „in das Ewige einbinden“ zu lassen.
Wolfgang Hähnel, Laienhelfer bei den katholisch-apostolischen Gemeinden (KAG), betonte die ökumenische Grundhaltung der apostolischen Ursprungsbewegung. Über die Voraussetzungen zur Erlangung des Seelenheils sagte er: „Ich muss danach streben, nach dem Gebot Gottes zu leben und ständig um die Gaben des Heiligen Geistes ringen. Und dazu brauche ich eigentlich zunächst nur Getaufter zu sein und muss überhaupt zu keiner Kirche (im engen Sinn von Gemeinschaft) gehören.“
Für das Apostelamt Jesu Christi (AJC) erklärte Prophet Siegfried Richter: „Glauben sie an Gott und glauben sie an Jesus Christus, ja dann werden sie selig!“
Als Vertreter der Vereinigung Apostolischer Gemeinden in Europa (VAG) nahm Apostel Detlef Lieberth aus Köln an der Diskussion teil. Er beantwortete die Einstiegsfrage so:
„Ich möchte einfach nur zitieren: Glaube an den Herrn Jesus Christus und du und dein Haus werden gerettet!“
Rolle der Frau in den apostolischen Gemeinden 
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 Vertreter apostolischer
 Gruppen auf dem Podium
 Bild: G. Puffe
Nach dieser Einstiegsrunde leitete Professor Obst zu der eigentlichen Podiumsdiskussion über. Die Besucher des Studientages konnten ihre Fragen und Anmerkungen auf kleine Zettel schreiben, welche von Helfern eingesammelt und zur Bühne gebracht wurden. Die Koordination der Fragen übernahm Dr. Harald Lamprecht. Bei einer ersten Sondierung der eingehenden Zettel stellte sich schnell heraus, dass die meisten Anfragen an den Vertreter der NAK gerichtet sein würden.
Der erste Fragenkomplex wurde allen Diskussionsteilnehmern
gleichermaßen gestellt: Wie sieht ihre jeweilige Gemeinschaft die Stellung der Frau?
Welches Selbstverständnis können Frauen in ihrer Gemeinschaft haben? Welche Ämter stehen Frauen offen?
Apostel Lieberth (VAG) erklärte, dass in der Apostolischen Gemeinschaft diese Frage im Apostelkreis beraten worden sei und man sich auch in der Schrift und der theologischen Literatur kundig gemacht habe. „Wir sind für uns zu dem Ergebnis gekommen, dass wir es durchaus als mit der Schrift vereinbar ansehen, dass Frauen nicht nur mitarbeiten in der Gemeinde, sondern auch das ordinierte Amt möglich ist.“ Die Beratungen seien jedoch noch nicht dahingehend abgeschlossen, bis zu welchem Grad des Amtes dies möglich sein soll. Lieberth merkte an, dass die Auffassung von Amtsstufen eher einem alten Verständnis entspreche. Heute sei man dabei zu lernen, alle Dienste als Gaben zu sehen. Dazu zähle man auch jene Gaben, die Gott einer Frau geschenkt habe und die in der Gemeinde ebenso zur Geltung kommen sollen.
Apostel Matschenz führte aus, dass es im Apostelamt Juda keinen Unterschied der Person gebe. Die Aufgaben würden zwar unterschiedlich verteilt und eine Frau könne „nie die Arbeit in dieser Form machen wie ein Mann“ oder umgekehrt. Jedoch wirke der lebendige Geist Gottes „genauso durch die Frau, das heißt durch die Evangelistin, durch die Prophetin und die Diakonissin. Hier wird kein Unterschied in dieser Form gemacht.“
„In der Mehrheit des historischen Kontextes“
Apostel Kühnle (NAK) stellte in seinem Statement zunächst fest, dass die Neuapostolische Kirche keine Ordinationen von Frauen kenne. Man müsse zwischen Ordination und Gabe unterscheiden. Gott habe den Menschen gleichwertig, aber nicht gleichartig geschaffen, führte Kühnle aus. Im übrigen sehe er seine Kirche im Verbund mit mehr als der Hälfte der Christen, die die Frauenordination bis heute nicht kennen würden. Das dürfe man vielleicht auch mal feststellen, so der Apostel. In der Christenheit werde diese Frage „abhängig von Kontinenten, von historischen, landsmannschaftlichen Bindungen und Erfahrungen“ unterschiedlich bewertet. Dann führte er noch ins Feld, dass es die Frauenordination in den lutherischen und protestantischen Kirchen „gerade mal“ seit 40 Jahren gebe. Kühnle: „Das sind historische Entwicklungen und die Neuapostolische Kirche befindet sich hier letztlich immer noch in der Mehrheit des historischen Kontextes.“
„Vor Gott sind alle Menschen gleich, da gibt es keinen Unterschied. Warum sollten wir also einen Unterschied machen?“, merkte Prophet Richter (AJC) an. In seiner Gemeinschaft lege man großen Wert darauf, dass die Frau genauso mitredet und mitarbeitet. Außerdem betonte er: „Wir möchten, dass die Frau die Krone des Mannes ist, also der Schmuck, und somit ehren und achten wir sie sehr.“ Zur Amtstätigkeit von Frauen im AJC sagte Richter: „Wir haben keine Prophetin mehr, wir haben noch zwei Diakonissinnen, aber das wird auch auslaufen. Im Moment haben wir keine Frauen als Ämter.“
Wolfgang Hähnel (KAG) kommentierte diese Runde abschließend: „Mir scheint wenig berücksichtigt bei allen Äußerungen bisher, dass die einzigste Frage ist, wie Gott selbst dazu steht!“ Eine Antwort dazu könne er jedoch nicht geben.
Ein gemeinsames Zeugnis finden 
Eine weitere Frage an die versammelten Vertreter apostolischer Gemeinschaften lautete:
Was hindert sie, ab jetzt und gleich das Kriegsbeil zu begraben, und den Weg als eine gemeinsame christliche Kirche weiterzugehen? Oder etwas realistischer formuliert: Wo sehen sie Chancen für Zusammenarbeit?
Für die Apostolische Gemeinschaft äußerte Apostel Lieberth: „Keiner von uns hat das Kriegsbeil dabei oder überhaupt je geschwungen in dem Sinn. Aber die Formulierung ist natürlich verständlich. (…) In der Zusammenarbeit mit anderen Christen gibt es eigentlich kein Partout. Wo Jesus in der Mitte steht, da möchten wir aufeinander zugehen und lernen, dem Anspruch Jesu gerecht zu werden, ein Zeugnis für IHN vor der Welt abzulegen. Ich denke das ist auch das, was uns als apostolische Brüder angeht: Zu lernen, zu einem solchen Zeugnis zu finden.“
Dabei könne weiterhelfen, was die Apostolische Gemeinschaft auf ihrem Weg in den letzten Jahren gelernt habe. Die Bibel müsse verbindlich für alle der Grundstein sein, an dem man sich orientiere, um herauszufinden, was Gott will. Auch müsse man sich von Traditionen lösen sowie von Selbstüberschätzung. Hierzu führte Lieberth einige persönliche Empfindungen zu der bereits erfolgten Neubewertung des Apostelamtes innerhalb der VAG an: „Es ist so unwahrscheinlich schön, nicht mehr so verantwortlich sein zu müssen, nicht mehr so eine Last tragen zu müssen, sondern mit meinen Gaben meinem Herrn dienen zu können, ohne mich dabei zu überschätzen.“ Zur Frage der apostolischen Ökumene sagte er: „Ich kann nur absolute Bereitschaft signalisieren zu einem solchen interapostolischen Gespräch!“
Geringschätzung der Bibel 
Heinrich Matschenz (AJ) nutzte die Gelegenheit, seine speziellen Ansichten darzulegen.
Nach Christus seien viele Glaubensrichtungen aufgekommen, die alle von dem einen ausgegangen sind. Folglich müsse es doch möglich sein, dass sich wieder alle nach einem richten. Matschenz beschrieb dies so: „Hier ist die Bibel angesprochen worden. Das Apostelamt Juda hat sie in den Jahren 1925/26 vom Altar genommen, mit der Begründung: Wer war früher? Die Bibel oder Gott? Und wenn Gott 1902 durch Christus wiedergekommen ist, dann wirkt und schafft er heute genauso wie in der Vergangenheit.
Und dazu braucht man nicht den Buchstaben, der an sich dann Gott vorgibt, was der Mensch machen soll.“ Eigentlich sei es der Geist, der durch Gefühl und Empfinden den Glauben im Menschen lebendig mache. Wenn zu dieser Grundlage zurückgefunden werde, erklärte Matschenz, dann sehe er überhaupt keine Hindernisse, dass sich die einzelnen Gemeinschaften und Kirchen zusammenfinden.
Kühnle bedauert „unmögliches Verhalten“ 
Apostel Kühnle (NAK) pflichtete in seiner Wortmeldung zunächst den vorlaufenden Ausführungen von Wolfgang Hähnel (KAG) und Apostel Lieberth (VAG) bei. „Beide haben gesagt: Entscheidend ist, was Gott will. Ich denke da stimmen wir alle uneingeschränkt zu.“ Aber gerade in Bezug auf die unterschiedlichen Verfahren des Erfragens und Erforschens des göttlichen Willens habe die Geschichte gezeigt, dass es zu Meinungsunterschieden gekommen sei, die „sehr unglücklicherweise auch zu Verhärtungen, Verletzungen, zu Schmerzen und zu unmöglichem Verhalten“ geführt hätten. „Dafür muss man sich entschuldigen und das kann man nur zutiefst bedauern“, äußerte Kühnle. 
Ein erster Schritt des Aufeinanderzugehens sei schon dadurch getan, dass man mal am selben Tisch sitzt, sich austauscht und andere Glaubensüberzeugungen und Standpunkte friedlich miteinander bespricht. Nur dadurch sei es möglich, sein Gegenüber besser kennenzulernen. Kühnle verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass es nicht bei dieser einen Begegnung bleiben möge. „Und wenn wir so weitergehen mit dieser Bitte, Gott möge uns erleuchten und möge uns seine Gnade schenken, dann meine ich, dass konkrete Schritte sein können und der Kontakt zwischen den apostolischen Gemeinschaften weitergeführt wird. Das ist meine Hoffnung und auch mein Wunsch.“
Liebe, Freundschaft, Brüderlichkeit 
Prophet Richter (AJC) kam in seinem Redebeitrag auf die Gabe der Liebe zu sprechen, die es aus dem Willen Gottes heraus anzunehmen gelte. Wenn man sich des Öfteren in aller Offenheit und Ehrlichkeit begegnen würde, könne sicher manches ausgeräumt werden und außerdem die Freundschaft, die Liebe und Brüderlichkeit untereinander zunehmen. Dies könne dann zu großer, christlicher Gemeinschaft führen.
Einheit der Kirche durch Buße
Eine radikal andere, tiefgründige und nachdenkenswerte Sichtweise stellte Wolfgang Hähnel als Vertreter der katholisch-apostolischen Gemeinden in den Raum. Überzeugung der ursprünglichen apostolischen Bewegung sei von jeher, dass die Einheit der Kirche nur durch einen übergreifenden, gesamt-christlichen Akt der Demütigung vor Gott zu erreichen sei. Hähnel erklärte: „Ausgangspunkt für die apostolischen Gemeinden ist immer gewesen, dass es eine Einheit nur geben kann, nachdem wir alle vor Gott bekennen, dass wir fehlgeschlagen sind. Das ist die Basis für jede weitere Entwicklung in der Kirche. Und nicht nur für uns, die wir hier im Raum sind, sondern für die ganze Kirche. Nur so kann es zu irgendeiner Einheit kommen. Wir müssen Gott gegenüber bekennen, dass wir fehlgeschlagen sind – allesamt, ohne Unterschied!“
„Die Botschaft hat sich nicht erfüllt“ 
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 Mehr als 300 Zuhörer wohnten
 der Veranstaltung bei
 Bild: G. Puffe
Danach reichte der Diskussionsleiter eine Reihe von Fragen des Publikums zu Einzelthemen, die die Neuapostolischen Kirche betrafen, en bloc an Apostel Kühnle weiter. Zunächst wurde gefragt, wann die „Botschaft“ von Stammapostel Bischoff  [01] als Irrtum anerkannt werde.
Kühnle entgegnete lapidar: „Bitte erwarten sie von mir nicht, dass ich heute eine Aussage mache, ob oder wann die Botschaft als Irrtum erklärt wird.“ Er wolle aber auch darauf hinweisen, dass seine Kirche schon heute sage: „Wir haben an diese
Botschaft geglaubt und die Botschaft hat sich so nicht erfüllt.“ Darüber hinaus könne er jedoch nichts sagen.
Korrektur von „Fragen und Antworten“ 
Eine weitere Frage betraf die (neuerdings stark relativierte) Bedeutung des Lehrbuchs „Fragen und Antworten“ und die Verbindlichkeit der darin enthaltenen Aussagen zur Lehre der NAK.
„Wir bekennen uns dazu, dass wir kein geschriebenes, dogmatisch entfaltetes Grundlagenwerk im Sinne eines Katechismus der evangelischen oder der katholischen Kirche haben“, erklärte der Apostel. Die Kirchenleitung habe jedoch erkannt, dass ein eigener Katechismus sehr hilfreich wäre. Bei der Einordnung des Büchleins „Fragen und Antworten“ müsse man auch dessen Entwicklungsgeschichte berücksichtigen. Stammapostel Niehaus [02] habe in den 1920er Jahren eine Auseinandersetzung mit protestantischen Geistlichen gehabt. Damals beginnend habe sich aus einer Zusammenstellung verschiedener Artikel mehr zufällig dieses Buch entwickelt, das mit der Zeit den Ruf einer verbindlichen Lehrzusammenfassung bekommen habe.
Die derzeitige Haltung der Kirchenleitung hierzu beschrieb Kühnle so: „Wir haben das vor einiger Zeit schon erkannt und deutlich gemacht, dass ‚Fragen und Antworten‘ nicht mehr den heutigen aktuellen Stand unserer Lehraussagen wiedergibt. Es findet deshalb in den nächsten Tagen oder Wochen eine Korrektur zu den wesentlichsten Punkten statt. Das ist einfach notwendig. (…) Den Anspruch an ein geschlossenes Lehrwerk, an ein verbindliches, in sich stimmiges und nachvollziehbares Lehrwerk im Sinne des Katechismus, erfüllt dieses Büchlein nicht.“ Viele Generationen von Neuapostolischen seien mit „Fragen und Antworten“ aufgewachsen und im Konfirmandenunterricht auf ihr weiteres Glaubensleben vorbereitet worden. „Ich ebenfalls“, merkte Kühnle an, jedoch habe er dies „ganz gut überlebt“.
Lernprozess im Umgang mit Kritik
Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde der Vertreter der NAK auf eine frühere Aussage angesprochen, wonach Apostel und Gemeinde sich nicht etwa isoliert gegenüberstünden, sondern sich ergänzen und durchdringen würden. Nach Einschätzung des Fragestellers sehe dies in der Praxis jedoch anders aus. In den Gemeinden würden Glaubensgespräche in der Regel als störend empfunden und negativ bewertet. Apostel Kühnle äußerte hierzu, die Kirche habe in dieser Sache einen „ganz guten Lernprozess“ durchgemacht. Man müsse bedenken, dass in früheren Zeiten auch die gesellschaftliche Meinungsvielfalt eher eingeschränkt gewesen sei. Darüber hinaus stellte er aber auch fest: „Dass wir als Kirche, die stammapostelgeführt ist, also – lassen sie es mich mal hart sagen – eine gewisse Obrigkeitsausrichtung hat, im Pluralismus der Meinungen etwas zurückhaltender sind als die Protestanten, das ergibt sich aus der Natur der Sache.“
Über den freien Informationsaustausch im Internet sagte Kühnle: „Bei aller berechtigter oder unberechtigter Kritik, auch an Foren im Internet (wo einzelne Vertreter hier sitzen), bei allen Bemerkungen und Empfindungen hierzu: Gerade in einem solchen Austausch von Meinungen und Information, wenn er auf einer sachlichen Ebene erfolgt, liegt die ganz großartige Chance, dass Gemeinde und Apostel gemeinsam sich weiterentwickeln und nicht etwa ein Auseinanderdriften entsteht. Und dafür arbeiten und kämpfen wir.“
Uneinigkeit der Apostel 
Die nächste Anfrage richtete sich wieder an alle Teilnehmer des Podiums. Gefragt wurde: Wenn das Apostelamt mit Jesus Christus verbunden ist und auch als das „Amt der Einheit“ angesehen wird, können Apostel dann überhaupt unterschiedlicher Meinung sein?
Für die katholisch-apostolischen Gemeinden antwortete Wolfgang Hähnel: „Nach der Lehre der apostolischen Gemeinden können Apostel gar nicht unterschiedlicher Meinung sein, da sie von dem einen Heiligen Geist angeführt und gewarnt werden.“ Im Bereich der KAG sei es so gewesen: Wenn sich die Apostel nicht einigen konnten, sei der Fragenkomplex zurückgestellt worden. Grundsätzlich durfte keine Entscheidung getroffen werden, die nicht von allen akzeptiert werden konnte. Aus dem Neuen Testament sei außerdem bekannt, dass es auch Auseinandersetzungen zwischen Paulus und Petrus gegeben habe. Jedoch würden diese Differenzen auf einer anderen Ebene liegen, als man das heute normalerweise verstehen würde.
Dann ergriff der Vertreter des Apostelamts Jesu Christi das Wort. Prophet Richter erklärte: „Sind lebendige Apostel von Gott gesandt, können sie nicht uneinig sein. Denn es ist ein Geist, der Heilige Geist, der sie miteinander bewegt.“ Der Apostel selbst sei zwar von Gott, aber letztlich eben auch nur ein Mensch. Da könne man schon unterschiedlicher Meinung sein. „Aber das Apostelamt selbst, von Gott gegeben und gesalbt, wird kaum unterschiedlicher Meinung sein können“, so der ostdeutsche Prophet.
„Wert des Petrusdienstes im Stammapostel“
Apostel Kühnle (NAK) äußerte, Jesus habe im Hohepriesterlichen Gebet [Johannes 17] nicht umsonst um das Einssein im Apostelkreis gebeten und insoweit einen Blick in die Zukunft gegeben. Jeder Mensch sei von Gott unterschiedlich geschaffen und habe einen eigenen, individuellen genetischen Fingerabdruck. Das lasse doch auch zu, dass im Prozess der Erarbeitung von Fragen und Themen unterschiedliche Meinungen ganz natürlich seien. Die Kraft des Apostelamtes müsse sich gerade dort entwickeln. Kühnle: „Und da sehen wir die Stärke im Petrusdienst, im Stammapostel verkörpert, der als Haupt der Apostel letztlich die höchste Autorität hat und für eine einheitliche Lehrmeinung sorgt.“
Von einem Apostel, der abweichende Gedanken habe, erwarte man sehr wohl, dass dieser dennoch für die einheitliche Lehrmeinung eintrete. Beim Betrachten von Sachverhalten gebe es unterschiedliche Perspektiven. Das „gemeinsame Erarbeiten im Anrufen des Heiligen Geistes“ müsse die Apostel dann aber letztlich zu einer „gemeinsamen Sprachregelung“ bringen. Kühnle betonte: „Ich sage nochmals: Wir erkennen darin den großen Wert des Petrusdienstes im Stammapostel.“ 
„Geltung, Macht und Herrschsucht“ 
Heinrich Matschenz (AJ) führte aus, dass er sich als „Vermittler zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit“ sehe. Solange der Apostel dieser Aufgabe nachgehe, werde er immer die Einheit mit seinen Amtsbrüdern haben. Wenn jedoch „Geltung, Macht und Herrschsucht“ hinzukämen, würden sich Trennungen vollziehen. Im Apostelamt Juda habe sich dieses 1923 vollzogen. Matschenz spielte damit auf die Abspaltung des späteren AJC an. „Solange sie Fischer [03] folgten und seine Botschaft weitergaben, ist alles in Ordnung gewesen. Aber als sie selbst gemerkt haben, dass sie anerkannt werden, dass sie gehoben und getragen werden von den Menschen, haben sie ihre Eigenständigkeit gesehen, der sie nachher gefolgt sind“, beschuldigte er seine Amtsbrüder. 
In der Vergangenheit habe er versucht, mit dem AJC Vereinbarungen zu treffen. Der frühere Leitende Apostel des AJC, Waldemar Rohde [04], habe in einer Unterhaltung eingestanden: „Ich weiß, wenn wir zu dieser Grundlehre von Fischer zurückkehren wollen, müssen wir über das Apostelamt Juda gehen. Aber wie sollen wir das unseren vielen Mitgliedern in dieser Form deutlich machen?“ Daran sehe man doch, so Matschenz, wie weit das Menschliche zwischen den einzelnen Ansichten stehe. 
Apostelamt als Dienst in der Gemeinde
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 Diskussionsteilnehmer
 Bild: Esther Vietz
Apostel Lieberth (VAG) beantwortete die Frage, ob Apostel unterschiedlicher Meinung sein können, mit einem klaren Ja. Alle Menschen seien in ihrer Persönlichkeit und ihrem persönlichen Werdegang unterschiedlich geprägt. „Ich denke, dass Gott genau diese Neigung dazu nutzt, um seinen Willen nach Möglichkeit deutlich werden zu lassen, in der guten Auseinandersetzung von Mitarbeitern, die diesen Dienst tun.“
Er habe bewusst von „Dienst“ gesprochen, betonte der Apostel. Es sei deutlich geworden, dass man sich zu sehr auf die
Tradition der Lutherbibel konzentriere. Das halte er aus seinem heutigen Blickwinkel jedoch nicht für glücklich. Wenn man andere Bibelübersetzungen mit zu Rate ziehe, könne man feststellen, dass die Stellen, die Luther fast ausnahmslos mit „Amt“ übersetzt habe, in anderen Übersetzungen anders wiedergegeben werden. In entsprechender Literatur könne man lesen, wie das im Griechischen zustande gekommen sei. „Und dann entdecke ich plötzlich, dass in 1. Korinther 12 und Epheser 4 die ‚Ämter‘, die wir im Sprachgebrauch von Luther so übernommen haben, als ‚Dienste‘ verstanden werden. Das gibt dem Ganzen ein ganz anderes Gepräge und wirkt sich auch auf mein Verständnis vom Aposteldienst bzw. Apostelamt aus.“ Das Amt komme „einfach weiter runter“. Angesichts des neuen Selbstverständnisses der VAG-Apostel habe manch einer schon gesagt: „Ihr seid jetzt langsam menschlich geworden.“
Taufe ohne Wasser 
Eine weitere Frage aus dem Publikum lautete: „Gibt es eine apostolische Gemeinschaft, die die Wassertaufe nicht praktiziert?“ 
Heinrich Matschenz, der „Apostel in Juda“, stellte klar, dass in seiner Gemeinschaft die
Taufe als Bestandteil der Versiegelung betrachtet werde. Durch Handauflegung des Apostels werde „mit Geist und Leben“ getauft. Wasser sei an diesem Vorgang allerdings nicht beteiligt.
Wiederkunft Christi durch Werke beweisen 
Die nächste Frage ging an den Vertreter des AJC: Glaubt das Apostelamt Jesu Christi an die Entrückung von Christen sowie an die Wiederkunft Christi auf Basis der Ausführungen der Bibel? 
Prophet Richter verneinte dies. Man wolle vielmehr auf die Christen „im allgemeinen“ zugehen und christliche Gedanken zu den Menschen bringen. „Durch unsere Werke wollen wir beweisen, dass Christus wahrhaftig wiedergekommen ist, aber nicht im Fleisch des Nazareners, sondern in der Gemeinschaft. (…) So wir Glieder am Leib Christi sind, ist doch die Gemeinschaft der Leib Christi“, erklärte Richter. Im AJC strebe man danach, Einigkeit und Brüderlichkeit mit allen anderen Christen zu halten.
„Christus allein ist heilsnotwendig“ 
Der nächste Fragenblock richtete sich an Apostel Lieberth (VAG). Zunächst wurde gefragt, ob Sakramente heilsnotwendig seien.
Lieberth erklärte, dass er diese nicht für heilsnotwendig halte. Das hänge mit dem Verständnis von Sakramenten sowie mit dem Amts- und Kirchenverständnis zusammen. Weiterhin führte er aus: „Die erste Frage hier am Tisch heute Nachmittag lautete: Was muss ich tun, damit ich gerettet werde? Von unserer Tradition war diese Frage eigentlich mit Sakramenten zu beantworten. Wir sehen das heute nicht mehr so und möchten einfach mit der Schrift sagen, dass Christus allein heilsnotwendig ist.“ 
„Ein Dienst zum Aufbau des Leibes Christi“ 
Auf die Aufgabe der Apostel in der Gemeinde angesprochen, sagte Lieberth: Auch wenn sich das Amtsverständnis geändert habe, seien die Aufgaben und Dienste nach innen und außen gleich geblieben. Zum neuen Amtsverständnis der VAG erklärte er: „Ich habe bereits zum Ausdruck gebracht, dass es wohltuend ist, wenn eine gewisse Last und Überschätzung aus dem Amt genommen wird. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, als wir bei der Apostelversammlung über das Thema ‚Apostelamt‘ gesprochen haben und überhaupt mal dieser Gedanke gedacht werden durfte, da haben zwei der Brüder, die damals schon über 60 Jahre alt waren, tief ausgeatmet und gesagt: Das ist ja großartig, so etwas überhaupt mal denken zu können, nicht mehr diese Last auf dem Rücken zu tragen, die vom Denken und der Tradition her mit diesem Amt behaftet war.“ Außerdem stellte er fest: „Wir sehen also das Apostelamt heute als eine Gabe – als einen Dienst, den Gott der Gemeinde gegeben hat, zum Aufbau des Leibes Christi.“ 
„Man glaubte alles zu haben und sicher zu sein“
Eine weitere Frage aus dem Publikum lautete: Inwieweit wurden die Reformen in der VAG durch die Gemeinde mitgetragen? 
Über viele Jahre seien Gespräche im Apostelkreis geführt worden, die zu Veränderungen geführt hätten, äußerte Lieberth hierzu. Es habe Jahre gebraucht, alles schriftlich zu formulieren und festzuhalten. Anfänglich sei man vor der Frage gestanden: Ist es richtig, dass man nur durch die Versiegelung Mitglied werden kann? Die Beschäftigung mit dieser Frage habe dann zu einem anderen Sakramentsverständnis geführt. Apostel Lieberth: „Wir sprechen bei den Sakramenten heute davon, dass es Bilder für das Handeln Gottes gibt; dass etwas nachvollzogen wird, was Gott am Menschen tut; dass etwas festgemacht wird in der Öffentlichkeit, aus einer Beziehung, die ein Mensch zu Gott hat.“ Früher sei man überzeugt gewesen, dass es Sakramente brauche, um dieses zu bekommen. In der Gemeinde habe sich daher ein Verständnis verankert, dass man glaubte „durch die Empfangnahme alles zu haben und sicher zu sein.“ Und dabei sei letztlich „das Wesen des Ganzen, nämlich der Glaube“, auf der Strecke geblieben.
Heute sei die Gemeinde in der Situation, zu lernen und diese Reformation nachzuvollziehen. „Das ist insbesondere für die älteren Geschwister natürlich sehr sehr schwer, die mit dem alten, neuapostolisch geprägten Gedankengut aufgewachsen sind – in dem Bewusstsein, alles zu haben was sie brauchten.“ Er wolle nicht beschönigen, so der Apostel, dass die geistliche Gesamtsituation zum Teil als „bis hin zu desaströs“ zu bezeichnen sei. Diese negative Entwicklung habe eintreten können, weil man eben glaubte, alles zu haben und auf dem richtigen Weg zu sein. Als Mensch und besonders als Christ müsse man jedoch bereit sein, einmal innezuhalten, zu schauen, wo man steht, Fehler zu erkennen und Buße zu tun, um dann mit neuer Kraft nach vorn zu gehen, sagte der Apostel bezugnehmend auf ein Zitat von August Hermann Francke [05].
„Eine neue, echte Existenzberechtigung“ 
Im weiteren Verlauf der Diskussion antwortete Apostel Lieberth auf eine eher polemische Wortmeldung, die durchaus für Erheiterung im Saal sorgte. Auf einem der Fragezettel stand geschrieben: „Die Entdogmatisierung ihrer Kirche ist bewundernswert. Wann wird der Schritt erfolgen, nichtchristliche Religionen anzunehmen?“ 
Der Vertreter der VAG erwiderte: „Ich kann natürlich verstehen, dass es auf Einzelne von ihnen so wirkt, als hätten wir viele Dinge aufgegeben, die zum Schatz des Apostolischseins gerechnet wurden. Aber das ist nicht so.“ Die VAG-Apostel seien nicht damit angetreten, das in dieser Form ändern zu wollen. „Sondern das ist einfach aus unserem Blickwinkel ein Geschenk Gottes, das er uns gemacht hat. Und damit gibt er uns eine neue, echte Existenzberechtigung und Zukunft.“ Ein Zusammenwirken mit nichtchristlichen Religionen, wie in der Frage aufgeworfen, könne er sich nicht vorstellen. „Eine Allianz mit Menschen, die nicht Christus in der Mitte haben, ist für uns als Christen undenkbar“, erklärte Lieberth.
Schritte zur Versöhnung 
Eine weitere Frage betraf das Verhältnis der Vereinigung Apostolischer Gemeinden zur Neuapostolischen Kirche. Der Fragesteller erkundigte sich, ob Schritte zur Versöhnung auch in Deutschland nötig seien. Als beispielhaft wurde das Versöhnungsschreiben zwischen der VAC Schweiz und der NAK in der Schweiz angeführt.
Apostel Lieberth bezeichnete eine Übertragung des Schweizer Modells auf Deutschland als „sehr wünschenswert“. Aber eigentlich müsse man den anderen Gesprächspartner am Tisch fragen. Zur Versöhnungsbereitschaft der Apostolischen Gemeinschaft in Deutschland erklärte Lieberth: „Wir sind an der gleichen Stelle wie unsere Schweizer Geschwister.“
Die Frage wurde daraufhin an den Vertreter der NAK weitergereicht. Apostel Kühnle führte aus, dass Stammapostel Fehr [06] bereits 1996 in der Zeitschrift „Unsere Familie“ einen ersten Schritt getan habe. Fehr habe dargelegt, dass von Vertretern der Kirche Fehler gemacht wurden und man dies bedaure. Kühnle bezeichnete die damalige Veröffentlichung als „eine Art Schuldeingeständnis“, das aber „sicherlich noch nicht die Qualität“ habe, wie es nun in der Schweiz zwischen der VAC und der NAK erfolgt sei. Kühnle räumte ein, dass er keinen Fahrplan aufzeigen könne, wie es in Deutschland weitergehen werde. Die Fragestellung sei jedoch bereits bei dem neuen Stammapostel angekommen. Die Verhältnisse in der Schweiz und Deutschland würden qualitativ einige Unterschiede aufweisen. In der Schweiz sei ein Bezirksapostel für das gesamte Land zuständig, während es in Deutschland immerhin mehrere Gebietskirchenleiter gebe. Eine Vereinbarung in Deutschland werde sicher nicht nur von einer Gebietskirche erfolgen, sondern in Abstimmung.
Jesulehre oder Stammapostellehre
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 Interessiertes Publikum
 Bild: G. Puffe
Eine Reihe weiterer Anfragen richteten sich wiederum ausschließlich an den NAK-Apostel. Zunächst antwortete er auf die Frage: Sollten sich die Apostel nicht eigentlich in der Jesulehre einig sein, anstatt in der Stammapostellehre?
Kühnle entgegnete: „Wir glauben nicht, dass wir eine Stammapostellehre verkündigen. Wir wollen Jesulehre in die Tat umsetzen.“ Man bekenne aber, dass im Petrusdienst damals wie heute eine ordnende und lenkende Funktion zu sehen sei, die zu einer einheitlichen Sprache führe. Außerdem stellte Kühnle klar:
„Wir sollten nicht den Fehler begehen, eine Stammapostellehre überhaupt anzudenken. Jesulehre ist die Basis, sonst sind wir nicht im christlichen Bereich!“ 
Ist Luther neuapostolisch? 
Eine andere Frage bezog sich auf die Praxis der Totenversiegelung in der NAK. Gelten die Reformatoren Luther, Calvin, Zwingli und Melanchton als neuapostolisch, die ja schließlich bei Apostel Schwarz [07] versiegelt wurden? 
Apostel Kühnle: „Ich denke, ich muss das nicht groß beantworten. Ich kenne auch verschiedene Aussagen aus alten Zeiten unserer Kirche. Überlassen wir das mal Gottes letzter Entscheidung. (…) Wir bekennen, dass nach unserem Glaubensverständnis Heil auch Verstorbenen angeboten werden kann in sakramentalen Handlungen.“
Professor Obst konterte auf diese Ausführungen mit einem scherzhaften Einwurf: „Übrigens, meine Damen und Herren, ich darf darauf hinweisen, dass Luther und Melanchton uns von hinten zusehen.“
Taufverständnis bis 2008 geklärt
In der neuapostolischen Bewegung gab es anfangs die Auffassung, dass der Gläubige allein durch die Taufe in den Leib Christi eingegliedert wird. Der Vertreter der NAK wurde daher gefragt, ob er es für möglich halte, dass seine Kirche zu dieser Denkart zurückkehrt. 
Kühnle erklärte, dass die Frage des Taufverständnisses im Gespräch sei. „Ich bin eigentlich stolz, dass meine Kirche nach 150 Jahren den Mut und die Kraft hat, auch das Sakramentsverständnis auf den Prüfstand zu nehmen“, äußerte der Apostel. An den Vertreter der VAG gewandt, sagte er: „Herr Lieberth, insoweit ein ähnlicher Prozess, wie sie eben auch zur Erkenntnis gekommen sind, das eine oder andere zu überdenken.“ Weiterhin bat er um Verständnis, dass er nicht über „ungelegte Eier“ reden könne. Er gehe jedoch davon aus, dass bei Erscheinen des Katechismus im Jahr 2008 diese zentrale Frage beantwortet sein muss.
„Das Internet ist ein hervorragendes Forum“
Aus den Reihen des Publikums gab es ferner eine Anmerkung bezüglich der Diskrepanz zwischen der Innen- und Außendarstellung der NAK. Apostel Kühnle habe vorlaufend gesagt, dass er das Internet als Chance begreife. Dem gegenüber werde jedoch in den Gemeinden vor dem Internet als Informationsquelle gewarnt.
Kühnle entgegnete, dass er sich dies nicht vorstellen könne. Es würde ihn sehr wundern, wenn dies der Fall wäre. Er könne nur „ganz offiziell“ sagen, dass Stammapostel Leber [08] nach seiner Amtseinführung an Pfingsten dieses Jahres deutlich gemacht habe, dass das Internet und die Themen der modernen Kommunikation einen hohen Stellenwert hätten. Und auch in der Apostelversammlung am Freitag vor Pfingsten habe der neue Stammapostel diesen Punkt sehr deutlich angesprochen. Apostel Kühnle: „Wir sollten es einfach bleiben lassen, von Täuschungen durch irgendwelche Medien zu reden. Und wir sollten unseren positiven Beitrag zu Foren leisten, die ganz hervorragend geeignet sind, auch Menschen zu erreichen, die Kirchen sonst oft nicht erreichen. Dass wir uns wünschen, dass Stil und Niveau gewahrt wird, dass Schlammschlachten und persönliche Entgleisungen unterbleiben, das hat nichts mit neuapostolischem Glauben zu tun, sondern da sprechen wir von allgemeinen, humanistischen Kerngedanken des christlichen Abendlandes. Wenn wir uns darauf verständigen, ist das Internet ein hervorragendes Forum.“
Echte oder falsche Apostel 
Aus den Fragestellungen der Teilnehmer des Studientages ergab sich ein weiterer thematischer Komplex. Zum Thema Apostelamt, das alle auf den anwesenden Gruppen verbindet, wurde gefragt: Wer erkennt wen hier auf der Bühne als echten Apostel an? An welchen Merkmalen erkennt man einen wahren Apostel Jesu? Wären sie bereit, ihr Apostelamt zurückzugeben, um Gottes Willen zu folgen? Inwieweit sehen sie das Apostelamt ihrer Kirche vergleichbar mit den Ämtern anderer Kirchen?
Diese Fragen wurden von den einzelnen Vertretern nacheinander und in unterschiedlich starker Ausprägung beantwortet. Als Erster ergriff der „Apostel in Juda“, Heinrich Matschenz, das Wort und sagte: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt!“ Wenn einer die Gabe habe, das zu vermitteln, was er von Gott empfangen hat, dann werde er schon in allumfassender Kraft dienen. Ob er dabei als Apostel gesehen werde oder nicht, müsse man den Menschen überlassen. Er selbst sei durch eine Segnung gesetzt, die Fischer [Anm.: der Gründer der Gemeinschaft] aus der Ewigkeit bekommen habe und die an den jeweiligen Nachfolger weitergegeben wurde. Damit es in dieser Form weitergehe, habe er bereits einen Nachfolger für sich gesetzt. Auch sei es jedem Apostel frei überlassen, sein Amt niederzulegen, sei es aus gesundheitlichen oder familiären Gründen. „Das wird ihm niemand verübeln. Sondern das muss er selbst mit seinem Gott ausmachen, wie weit er das verantworten kann“, erklärte Matschenz.
„Nur im Einssein mit dem Stammapostel“
Apostel Kühnle (NAK) erläuterte, wenn man von Aposteln spreche müsse man schon
„von dem Grundverständnis ausgehen, dass der Apostel eigentlich nicht an eine Konfession gebunden ist, sondern der Kirche zu dienen hat.“ Im Christentum gebe es unterschiedliche Ausprägungen. Und natürlich, von der institutionellen, kirchen-konfessionellen Betrachtung her, sage man demzufolge: „Das reine, das wahre Apostelamt, hat zentral dann Gültigkeit
und Wertigkeit, wenn es mit dem Stammapostel im Einssein steht. Und wenn dieses nicht gegeben ist, ist aus neuapostolischer Sicht eben nicht das Apostelamt im Sinne unserer Kirche gegeben.“ Die Frage, ob das Amt zurückgegeben werden könne, beantwortete Kühnle so: „Wenn ich es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann, dann muss ich es zurückgeben. Weil es zum einen mir selbst gegenüber, aber auch den Gläubigen und Jesus Christus gegenüber unverantwortlich wäre, ein irgendwie geartetes Doppelspiel oder Fassadenpolitik zu betreiben.“
Der Diskussionsleiter kam dann noch einmal auf einen anderen Teilaspekt der Fragestellung zu sprechen. Von dem Vertreter der NAK wollte Dr. Lamprecht wissen, inwieweit das Apostelamt mit den Ämtern anderer Kirchen vergleichbar sei. Konkret fragte er: Ist „Apostel“ einfach ein anderes Wort für „Bischof“?
Kühnle konkretisierte daraufhin: „Wir sehen es nicht als eine andere Bezeichnung für Bischofsamt, sondern als ein originäres, von Jesus neu gesandtes Amt zur Bereitung der Braut Christi für seine Wiederkunft.“
Apostel verklären Jesus Christus 
Siegfried Richter (AJC) schilderte, dass man Apostel nicht am Äußeren erkennen könne. „Verklärt ein Apostel Jesus Christus, dann redet er von Gott und Jesus Christus. Und ich glaube, wenn die Werke sichtbar sind, ist er Apostel. Ich weiß aber auch, dass ein Apostel sich nicht selbst verklären wird, sondern immer den, der ihn gesandt hat.“ Weiterhin stellte der AJC-Prophet fest, dass Apostel von Gott gesandt seien. „Wer seinen Apostel sieht und darin Gott sieht, der wird auch den Segen des Apostels haben.“
Für die katholisch-apostolischen Gemeinden erklärte Wolfgang Hähnel: „Wir gehen davon aus, dass es in der gesamten Kirchengeschichte immer apostolische Männer gegeben hat. Aus all dem, was schon gesagt worden ist, können wir als apostolische Gemeinden alle Apostel, wie sie heute genannt worden sind oder hier sitzen, nicht als solche anerkennen. Das ist ganz deutlich schon gesagt worden.“
Apostel Lieberth (VAG) erklärte, dass er allen Brüdern am Tisch heute zum ersten Mal begegnet sei. Insofern sehe er sich nicht imstande, zu beurteilen ob er die anderen als echte Apostel Jesu ansehen könne. Dazu wären viel mehr Begegnungen nötig, auch privater Art, damit er den Menschen und seinen Dienst viel besser kennen lernen könne. Einen echten Apostel erkenne man daran, „dass er Christus verherrlicht und sich im Grunde aller Dienst um die Person Jesu dreht“. Zur Frage der Amtsrückgabe sagte Lieberth, er hätte kein Problem damit, seinen Dienst zurückzugeben, wenn es notwendig würde, weil Gott ihm das zeige oder andere Bedingungen dazu führten. Im Moment habe er aber eher den Eindruck, dass es gut und richtig sei und Gott es segne.
Keine Apostelwirksamkeit im Friedensreich
Der Vertreter der NAK antwortete dann auf einen Einwurf, der offenbar die Auslegung der Offenbarung Johannes tangierte. Die auf einem Zettel fixierten Überlegungen des Fragestellers konnten jedoch nicht eindeutig verstanden und verbalisiert werden.
Apostel Kühnle formulierte daraufhin einige Gedanken zu den Zukunftserwartungen seiner Glaubensgemeinschaft. „Was wir immer wieder deutlich machen wollen ist, dass die Apostelwirksamkeit in der Neuapostolischen Kirche, in der Taufe und Versiegelung, in der Gemeinschaft, durch das Wort Gottes, durch das Ergreifen und Umsetzen und Befolgen des Willens Gottes, verkündigt durch die Apostel und die weiteren Amtsträger, dass dieses die Voraussetzung schafft, an der Wiederkunft Jesu teilzuhaben.“ Das Heilshandeln Gottes sei damit aber noch nicht abgeschlossen, sondern werde im Friedensreich eine großartige Fortsetzung finden. Nach Überzeugung der NAK werde die Apostelwirksamkeit mit der Wiederkunft von Jesus Christus beendet sein. Für die Teilhabe an der Hochzeit des Lammes sehe man jedoch „in der Wirkung der neuapostolischen Apostel die heilsvermittelnden Gnadenangebote Gottes“, um dieses Ereignis „treulich feiern zu können“. 
Aufarbeitung der eigenen Geschichte 
 Veranstaltungort war das
 Hauptgebäude der Francke-
 schen Stiftungen
 Bild: Stadtmarketing Halle
Eine andere Frage betraf den Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Gefragt wurde nach einem Schuldbekenntnis für die Unterstützungspolitik der NAK im Nationalsozialismus und später des Staatssicherheitsdienstes in der DDR.
Hierzu führte Apostel Kühnle aus, Stammapostel Fehr habe eine Gruppe beauftragt, sich sehr intensiv mit der Geschichte der NAK zu befassen. Stammapostel Leber habe bestätigt, dass diese Arbeit fortgesetzt werde. Man wolle sich den damit verbundenen Fragen stellen. Erste Teilergebnisse lägen auch schon vor, jedoch wolle man ein solch komplexes Thema lieber
„gesamthaft“ sehen. „Im Ausfluss aus diesen Erkenntnissen“ werde man dann sicherlich Konsequenzen ziehen. Weiterhin stellte Kühnle einen Vergleich mit anderen Kirchen an. Er wolle nur mal erinnern, dass insbesondere die römisch-katholische Kirche doch auch eine gewisse Zeit gebraucht habe, um mit Fragen des Dritten Reiches und den damaligen Geschehnissen fertig zu werden. „Dann möge man uns bitte diese Zeit zugestehen“, äußerte Kühnle ausweichend.
„Ein Freudenfest zu Ehren Gottes“
Die letzte Frage richtete sich noch einmal an alle Teilnehmer auf dem Podium gleichermaßen und lautete: Was ist das Ziel ihres Glaubens?
Die Schlussrunde wurde von Apostel Lieberth (VAG) eröffnet. Für seine Äußerung erntete er tosenden Applaus: „Einmal mit allen Christen im Himmel ein Freudenfest zu Ehren Gottes zu starten, das ohne Ende sein wird – Lob und Preis hoch … Siebenundzwanzig!“
Apostel Matschenz führte aus: „Das Apostelamt Juda versucht, dem Menschen deutlich zu machen, dass seine Seligkeit schon auf Erden beginnen kann. Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit und das andere wird euch zu!“
Das Glaubensziel neuapostolischer Christen umriss Apostel Kühnle so: „Wir glauben, dass Jesus Christus wiederkommt. Dafür bereiten wir uns vor und wollen dann mit großer Freude die ewige Gemeinschaft mit all denen erleben, die durch Gottes Gnade von IHM Heil geschenkt bekommen haben.“ Scherzhaft fügte er noch hinzu: „Herr Lieberth, da sind wir dann ganz dicht beieinander, da geh ich auch auf ‚hoch Tausend‘, wenn Sie so wollen.“
Dann grenzte Kühnle das exklusive Glaubensverständnis der NAK wiederum deutlich von dem seiner Apostelkollegen ab: „Aber wir sehen eben in der Bereitung auf die Wiederkunft Jesu Christi zur Heimholung der Braut, zur Hochzeit des Lammes, schon eine gewisse Vor-Etappe“, äußerte er einschränkend. Frei nach Petrus sei der zentrale Auftrag der Apostel darin zu sehen, „zu verkündigen die Wohltaten dessen, der uns berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ Abschließend sagte er noch, Christsein müsse im Heute gelebt werden und könne dann „im Morgen in Gottes Herrlichkeit in einer Art und Weise aufgehen, wie wir es uns kaum vorstellen können.“
„Bei Christen ist alles möglich“
Für das Apostelamt Jesu Christi artikulierte Prophet Richter, das Ziel seiner Gemeinschaft
sei es, dem Menschen „hier auf dieser Erde bereits einen Vorgeschmack des Himmelreiches zu bereiten.“ Der Mensch solle dahin geführt werden, Auferstehung und ein ewiges Leben zu erlangen. Ein weiteres Ziel sei es, Frieden auf Erden und den Menschen ein wohlgefälliges Leben zu schaffen. Regelrecht begeistert fügte Richter noch hinzu: „Wenn auch mancher meint, dies ist nicht möglich – bei Christen ist alles möglich!“
„IHN sehen, wie ER ist!“
Als Vertreter der katholisch-apostolischen Gemeinden beschrieb Wolfgang Hähnel das Glaubensziel der Brüder und Schwestern der apostolischen Ursprungsbewegung mit einem einzigen, aber äußerst prägnanten Satz: „Wir freuen uns auf die Zeit, wo wir IHN sehen werden, wie ER ist.“ – Dieser Aussage, der wohl alle Anwesenden getrost hätten zustimmen können, war eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
Christian Puffe, 06.07.2005
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[01] – Johann Gottfried Bischoff (1871–1960), Stammapostel der NAK von 1930 bis 1960; begann 1950, sich selbst
          mit seiner Person in den Mittelpunkt der zeitlichen Festlegung der Wiederkunft Christi zu stellen. Im Weihnachts-
          gottesdienst 1951 in Gießen verkündete er die „Botschaft“: „Ich bin der Letzte, nach mir kommt keiner mehr. So
          steht es im Ratschluß unseres Gottes, so ist es festgelegt, und so wird es der Herr bestätigen. Und zum Zeichen
          sollt ihr das haben, dass der Herr in meiner Zeit kommt, um die Seinen zu sich zu nehmen.“Zurück
[02] – Hermann Niehaus (1848–1932), Stammapostel der NAK von 1905 bis 1930Zurück
[03] – Julius Fischer (1867–1923), ehemals neuapostolischer Bezirksältester, wurde 1902 von Stammapostel Friedrich
          Krebs (1832–1905) aus der Neuapostolischen Gemeinde ausgeschlossen, gründete daraufhin das Apostelamt
          Juda – Gemeinschaft des göttlichen SozialismusZurück
[04] – Waldemar Rohde (geb. 1934), von 1981 bis 2005 Leitender Apostel des Apostelamt Jesu Christi K.d.ö.R.Zurück
[05] – August Hermann Francke (1663–1727), Theologe und Pädagoge, Hauptvertreter des Halleschen Pietismus,
          Begründer der „Franckeschen Stiftungen“ in Halle/SaaleZurück
[06] – Richard Fehr (geb. 1939), Stammapostel der NAK von 1988 bis 2005Zurück
[07] – Friedrich Wilhelm Schwarz (1815–1895), ehemals Engel (Bischof) der katholisch-apostolischen Gemeinde
          Hamburg, wurde 1863 vom Propheten Heinrich Geyer zum Apostel des Stammes Juda (Niederlande) berufen,
          gilt als der herausragendste Apostel in der Zeit der Vorgeschichte der NAK, in der Periode zwischen 1863
          und 1895Zurück
[08] – Dr. Wilhelm Leber (geb. 1947), Stammapostel der NAK seit 2005Zurück
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