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22.08.2003
Bei RTL durch den Kakao gezogen
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Bezirksapostel Hagen Wend (NAK Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland) spricht nicht nur von den Prinzipien einer offenen Kommunikation, er praktiziert sie auch. In den vergangenen
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Bezirksapostel Hagen Wend (links) und
Apostel Heinz Kreuzberger bei einer Jugend-
stunde im Bezirk Darmstadt (Hessen)
3 Jahren führte er an verschiedenen Orten in seinem Arbeitsbereich so genannte offene Jugendstunden durch, bei denen er sich den freimütigen und teils kritischen Fragen der jugendlichen Kirchenmitglieder stellte. Selbst persönliche Fragen, etwa nach der Höhe der Einkommen der im Kirchendienst stehenden Apostel, ließ er nicht unbeantwortet.
Die Fragen wurden von den Teilnehmern in kleinen Gruppen erarbeitet und auf Zettel geschrieben. Bezirksapostel Wend antwortete spontan, ohne sich konkret vorbereiten zu können.
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Einen interessanten Einblick in diese Veranstaltungsreihe gab jetzt das Webradio-Magazin "AudiJo" von Jugend Online. In den Sendungen 21 und 27 wurden einige Aussagen des Bezirksapostels, die in einer Jugendstunde im Mai 2003 in Koblenz (Rheinland-Pfalz) mit dem Mikrofon eingefangen wurden, in Form von Ausschnitten wiedergegeben.
Die Jugendstunde sei sehr gut angekommen, berichtete einer der Teilnehmer. Es habe ihn beeindruckt, wie offen und spontan der Bezirksapostel auf Fragen, die die Jugend wirklich interessierten, antwortete. Ein anderer Teilnehmer merkte an, auch der Stammapostel könne ruhig einmal zu einer solchen Fragestunde kommen.
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"Nicht mehr wie vor 50 Jahren"
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In der etwa zweistündigen Jugendstunde in Koblenz bezog Bezirksapostel Wend ausführlich zum Sekten-Image der Neuapostolischen Kirche Stellung. Er beschränkte seine Ausführungen auf die allgemeine gesellschaftliche Wahrnehmung und Fragen der persönlichen Lebensführung, ohne auf weitergehende Aspekte der Sektenkritik einzugehen. Bezirksapostel Wend: "Als Sekte bezeichnet zu werden, wäre vom Wort her nichts schlimmes. Aber es ist im allgemeinen Sprachgebrauch sehr negativ besetzt und bewertet. (...) Vor einiger Zeit gab es mal eine so genannte Enquetekommission des Bundestages. Die hat kleinere Glaubensgemeinschaften und Sekten darauf untersucht, wie gefährlich sie sind. Was für uns erfreulich ist: Wir tauchen in dem Bericht überhaupt nicht auf. Die haben uns von vorn herein also gar nicht in diese Gruppierung hineingenommen.
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Wir werden da und dort als gefährliche Sekte bezeichnet, wobei mich das wirklich ärgert, weil die Leute, die das von unserer Kirche behaupten, letztlich keine Ahnung haben. Die haben die Vorstellung - und das habe ich auch in einer Internet-Diskussion mal jemandem geschrieben - unsere Kirche sei so wie vor 50 Jahren. Aber die ist nicht mehr so wie vor 50 Jahren, genau wie andere Kirchen sich auch verändert haben. Auch unsere Gesellschaft ist nicht mehr so wie vor 50 Jahren. (...) Was Aussteiger an unserer Kirche monieren, sind fast immer Verhaltensmuster aus früheren Zeiten, die noch nicht mal typisch für unsere Kirche sind, sondern die Kennzeichen einer strengen christlichen Erziehung sind. Das was bei uns angegriffen wird, gibt es genauso in strengen evangelisch-pietistischen Familien oder katholischen Kirchen. (...) Das ist keine Sache der Neuapostolischen Kirche. Das ist eine Frage, wie stark man auf christliche Grundwerte fixiert ist und wie weit man die im persönlichen Bereich durchsetzen will. Wenn wir deswegen als Sekte bezeichnet werden, ist das in aller Regel unfair und in der Sache auch nicht richtig." [01]
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Einschreiben für Hans Meiser
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Über eine Talkshow, die beim Fernsehsender RTL ausgestrahlt wurde, habe sich der Bezirksapostel einmal so sehr geärgert, dass er einen Brief an den Moderator Hans Meiser schrieb, um sich darüber zu beschweren. Bezirksapostel Wend: "Vor längerem hat RTL mal eine Sendung gemacht. Da sind Leute aufgetreten und da ist die Neuapostolische Kirche durch den Kakao gezogen worden. Da war ein Mädchen, die hatte einen neuapostolischen Freund. Nun wollte man von ihr alles mögliche wissen, wie schlimm das sei. Aber sie hat alles ganz anders erzählt. Ihr Freund war Amtsbruder und da dürfte sie mit ihm ja nicht mal einen Kuss austauschen, oder solches Zeug. Sie müsste da ständig in die Kirche gehen und hätte keine Freiheit. Sie sagte, das sei gar nicht so, 'bei uns ist es ganz normal'. Zum Schluss hat der Meiser sie gar nicht mehr drangenommen.
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Und dann habe ich, weil mich das wirklich geärgert hat, dem Meiser geschrieben und gesagt, die Sendung sei mies, aus dem und dem Grund. Alles sei einseitig und ich würde das jetzt gerne mal der Jugend in meiner Kirche in einer Jugendstunde vorführen, um zu zeigen, was da über uns behauptet wird. Dann habe ich erstmal gar nichts gehört, nur Schweigen. Ich habe RTL nochmals angemahnt und gesagt, ich hätte das wirklich ernst gemeint und würde das vorführen wollen. Dann hat man mir wachsweich geschrieben: Aus grundsätzlichen Überlegungen könnten sie mir die Erlaubnis leider nicht erteilen." [01]
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"Positive Entwicklung in Gang gesetzt"
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Die öffentliche Kritik an der Neuapostolischen Kirche durch Aussteiger habe aber auch zu einer positiven Entwicklung beigetragen. Die Kritiker hätten nicht immer Unrecht gehabt. Bezirksapostel Wend: "Aussteiger haben auch manche Dinge in unserer Kirche angesprochen, die eine positive Entwicklung in Gang gesetzt haben. Das will ich gar nicht bestreiten. Aber das, was in aller Regel behauptet wird, ist Mist und entspricht nicht den Tatsachen. Ich sage es noch einmal: Für die Kirche hat das durchaus positive Ergebnisse gebracht. Ich habe selbst mit den Leuten gesprochen und erklärt: Auswüchse, die sie damit anmahnen, wenn irgendwo in der Neuapostolischen Kirche etwas vorgekommen ist, sind doch nicht typisch für die Kirche insgesamt. Wenn ein Kreisvorsitzender der CDU irgendwelchen Mist macht, also völlig unsinnig und autoritär ist mit den Parteimitgliedern, dann ist das doch kein Zeichen der gesamten CDU in Deutschland. Das habe ich denen erklärt. Sie sagten dann: 'Das verstehen wir ja auch.' Und drei Tage später war dann wieder der gleiche Artikel mit den unsinnigen Behauptungen in der nächsten Zeitung. Aber darüber müssen wir uns nicht aufregen." [01]
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Es gebe aber auch eine ganze Reihe von seriösen Stimmen, die der Neuapostolischen Kirche konstatieren, dass sie keine gefährliche Sekte sei, betonte der Bezirksapostel. Er habe einmal mit dem Sektenbeauftragten einer der großen Kirchen über den Anspruch der NAK, selbst die richtige Kirche zu sein, gesprochen. Der Experte entgegnete ihm, dies sei eigentlich das Recht einer jeden Kirche. Der evangelische oder katholische Christ glaube doch auch, dass seine Kirche die richtige sei. Schwierig werde es nur dann, wenn eine Gemeinschaft einen strengen Absolutheitsanspruch erhebe und gleichzeitig die Mitglieder nach außen hin abschotte. Das könne dann gefährlich sein.
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Bezirksapostel Wend: "Wenn jemand der Überzeugung ist, das ist alles Quatsch was da in der Kirche ist, dann geht er nicht mehr hin. (...) Unsere ganzen Geschwister, die in den Gottesdienst gehen und mitarbeiten, lassen sich doch nicht für dumm verkaufen. Die sind davon überzeugt! Aus gutem Grund, denn wir haben ja diese Abschirmung nicht. Kinder gehen zum Kindergeburtstag, die Jugendlichen gehen sonstwohin, ins Kino oder ins Theater. Da sagt die Kirche nichts dazu. Man hat immer die Möglichkeit festzustellen: Will ich dahinterstehen, was meine Kirche sagt, oder nicht. Und daher ist es Unsinn, wenn wir als gefährliche Sekte bezeichnet werden." [01]
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"In aller Regel will man uns nicht"
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Bezirksapostel Wend äußerte sich auch zum Thema Ökumene. Dabei unterstrich er indirekt die unentschlossene Haltung der Kirchenleitung in dieser Frage. Einerseits seien Kontakte mit Vertretern anderer Konfessionen durchaus erwünscht, andererseits müsse man sich fragen, ob sich der Zeitaufwand für Gespräche, die eigentlich kein Ziel hätten, überhaupt lohne. Ökumenische Beziehungen seien überdies "nicht überall gerne gesehen".
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Im gleichen Zusammenhang verwies er auf eigene Kontakte zu Sektenbeauftragten der großen Kirchen und auf die informellen Gespräche zwischen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und der Neuapostolischen Kirche in Süddeutschland. Nach Auffassung des Bezirksapostels sei jedoch erkennbar: "In aller Regel will man uns dort nicht haben. Es ist häufig nicht so, dass wir mit denen nicht sprechen wollen, sondern die wollen das nicht, aus gewissen Gründen. Das kann ich auch verstehen. Wir sind ihnen in unseren Glaubensgrundsätzen in manchen Dingen zu streng und zu ausschließlich und dann wollen die nicht mit uns sprechen. (...) Also, an uns liegt das sicher nicht. (...) Gespräche, die eigentlich kein Ziel haben, die kosten natürlich Zeit, wobei man sich fragt: Lohnt sich dieser Zeitaufwand? Aber wenn jemand mit uns sprechen will, verschließen wir uns nicht." [02]
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Wahrhaftigkeit beim Amtsauftrag
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Eine weitere Frage, die von den Jugendlichen gestellt wurde, beschäftigte sich mit der Entscheidung für oder gegen einen Amtsauftrag in der Kirche. Bezirksapostel Wend stellte seine Sichtweise so dar: "Das ist ganz einfach. Wenn ich ja sage, muss ich davon überzeugt sein, sonst darf ich nicht ja sagen. Wenn jemand nein sagt, weil er nicht überzeugt ist, sagt er nein. Dann kann er doch in drei Jahren zu einer anderen inneren Haltung kommen. Das ist viel besser, als irgendetwas vorzuspiegeln, was nicht ist.
In anderen Gesellschaftsformen gilt es als unhöflich, nein zu sagen. Aber wir leben in Deutschland und wenn ich etwas nicht möchte, sage ich nein.
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Wenn ich überzeugt bin, ich kann eine Aufgabe als Amtsträger nicht erfüllen, muss ich nein sagen. Das ist besser, als in etwas hineingezogen zu werden. Allerdings (...) würde ich gerne auch jemanden fragen, warum er denn als Amtsträger nicht geeignet sei.
Wir brauchen als Amtsträger keine Heiligen und keine Perfekten und Vollkommenen, sondern Menschen wie du und ich, und das kann doch fast jeder! Es gibt immer mal Fragen. Die hat jeder, die habe ich, die hat der Stammapostel. Aber wenn ich von den Grundsätzen überzeugt bin, kann ich ja sagen. Wenn ich nicht überzeugt bin, sage ich offen nein. Das muss man offen handhaben." [02]
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"Einer, der immer nur nickt, hilft mir nicht"
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Die Frage nach der Entscheidung für oder gegen einen Amtsauftrag nutzte Bezirksapostel Wend gleich noch, um ein generelles Statement zum Thema Kommunikation abzugeben.
Seine vorherigen Ausführungen unterstrich er so: "Ich habe in einem Ämtergottesdienst schon einmal gesagt: Ich persönlich bin nicht gerne von Menschen umgeben, die immer nur blindlings ja sagen, ohne das so zu meinen. Das hilft mir nicht. Wenn ich etwas falsch mache, erwarte ich auch, dass man mir das sagt. Dann kann ich es auch besser machen. Einer, der immer nur nickt, wenn ich eine Frage stelle, der hilft mir nicht, der führt mich nicht zur besten Lösung. Ich erwarte aber schon, wenn man Probleme miteinander besprochen hat, dass man sich dann auch loyal hinter getroffene Entscheidungen stellt. Dafür haben wir eine Verantwortungsebene. Aber es ist kein göttliches Grundprinzip, dass wir - solange wir unvollkommen sind - zu allem ja sagen müssen." [02]
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"Kein Unterschied im Amtsvermögen"
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"Warum gibt es keine Unterdiakone mehr?", lautete eine weitere Frage. Bezirksapostel Wend antwortete: "Die gibt es deswegen nicht mehr, weil die Unterscheidung schwierig ist. Wie könnte ich einen Unterschied deutlich machen, wenn ich einen Unterdiakon ins Diakonenamt einsetze? Was ist beim Diakon anders als beim Unterdiakon? Die Frage stellt sich sofort. (...) Der Unterschied hat einen ganz anderen Hintergrund. In der katholisch-apostolischen Kirche, unserer Vorgängerkirche, wurde der Unterdiakon von der Gemeinde bestimmt; der Diakon aber wurde vom Apostel geweiht. Dieser Unterschied in der katholisch-apostolischen Kirche geht auf die katholische Kirche zurück. Diese unterscheidet zwischen Subdiakon - das ist ein Laie - und Diakon, der in der katholischen Kirche ein geweihter Geistlicher ist. Wir haben das einfach übernommen, ohne dass es bei uns Unterschiede gab. Warum soll man das aufrecht erhalten? Es gibt eigentlich keinen Unterschied im Amtsvermögen." [01]
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Naherwartung kontra Lebensfreude?
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Gerade jugendliche Gläubige, die einer endzeitlichen Lehre folgen, erleben nicht selten ein inneres Spannungsfeld. Trotz der Naherwartung der Wiederkunft Christi und der ernstlichen Vorbereitung auf ihr persönliches Glaubensziel möchten sie auf Spaß und Lebensfreude nicht verzichten. Daher auch die Frage aus dem Kreis der Jugend, ob darin ein Widerspruch zu sehen sei. Bezirksapostel Wend: "Das ist eine ganz einfache Sache. Der 'Tag des Herrn' ist etwas schönes und großes, darauf warten wir. Das heißt aber nicht, dass ich mich an den schönen Dingen des Lebens nicht freuen darf. Solange der Herr nicht da ist, kann ich Freude an den Dingen des Lebens haben. Ich kann trotzdem im Inneren die klare Ausrichtung haben: Wenn der Sohn Gottes kommt, möchte ich dabei sein, weil das alle Möglichkeiten der Freude, die ich als Mensch habe, weit übersteigt. Das eine schließt das andere nicht aus.
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Ich muss also nicht, um ein treues Gotteskind zu sein, als Asket leben oder im Kloster sein oder mich nicht an den Dingen des Alltags freuen. (...) Wir brauchen nicht die Vorstellung zu haben, Gotteskindschaft sei etwas für Miesepeter, Griesgrämige und für Leute, die sich an nichts freuen. Bei aller Freude kann ich mich tief im Inneren auf den Augenblick freuen, wo Jesus kommt. Dann weiß ich: Mir wird nichts genommen und ich habe nichts versäumt, weil die Freude, die ich dann dort erleben werde, noch viel größer ist. Mir entgeht nichts, deshalb kann ich mich unbefangen auf den 'Tag des Herrn' freuen." [01]
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"Ich war ein kritischer Jugendlicher"
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Soweit die von Jugend Online überlieferten Ausführungen des Bezirksapostels im Rahmen einer Jugendstunde in Koblenz. Im direkten Gespräch mit den Reportern von "AudiJo" nannte Hagen Wend noch einige Details zu seiner Person. Er stünde gerade kurz vor seinem 60. Geburtstag, verrriet der Bezirksapostel. Als Kind wurde er im Alter von 9 Jahren neuapostolisch versiegelt. Sein Vater blieb lebenslang Atheist, sein Großvater war evangelischer Pfarrer, ebenso sein Onkel. Er selbst sei ein kritischer Jugendlicher gewesen, der viele Dinge hinterfragt habe, was zu dieser Zeit "nicht ganz so einfach" gewesen sei. Als er einmal vor der fundamentalen Frage stand, ob der neuapostolische Glaube der richtige sei, bat er Gott um ein Zeichen. Dieses Zeichen habe Gott dann in großer Klarheit geschickt.
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Nach Studium und Berufsleben trat er 1990 in den Dienst der Kirche und wurde zunächst Geschäftsführer des Friedrich Bischoff Verlags in Frankfurt. Seine vordringlichste Aufgabe sei es damals gewesen, den ehemaligen Familienbetrieb, der sich im Privatbesitz des Bezirksapostels Friedrich Bischoff befand, in ein kircheneigenes Unternehmen zu überführen. Die gesamte Struktur und Organisation musste geändert werden, so Hagen Wend.
Als er 1995 Bezirksapostel wurde, gab er die Geschäftsführung an einen Nachfolger ab, um sich ganz auf seine Amtsaufgabe konzentrieren zu können.
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Link zum Thema:
Die Sendungen des Webradio-Magazins "AudiJo"
stehen auf den Seiten von Jugend Online zum Download bereit. 
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[01] - Wortlaut: AudiJo Sendung Nr. 21 vom 17.05.2003
[02] - Wortlaut: AudiJo Sendung Nr. 27 vom 11.08.2003
Christian Puffe, 22.08.2003
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