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24.08.2007 |
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»Der Papst steht über
allem« |
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Jessica Krämer besuchte für naktuell.de den Generalsekretär
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Vatikanstaates, Bischof Renato Boccardo |
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»Mit einer Oberfläche von knapp 44 Hektar ist die Vatikanstadt
der kleinste unabhängige Staat auf der Welt, sowohl was die Einwohnerzahl
als auch seine Ausdehnung betrifft. Seine Grenzen werden von den Mauern
gebildet und auf dem Petersplatz von dem Travertinstein- |
band, das die zwei Flügel der Kolonnade verbindet.« |
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Mit diesen einleitenden Sätzen präsentiert sich seit dem
19. Juli 2007 der Vatikanstaat mit einer eigenen Homepage im Internet.
Neben dem bereits seit längerem bestehenden Internetangebot des Vatikans
(vatican.va), das vor
allem umfangreiche Informationen rund |
um den Papst und den »Heiligen Stuhl« anbietet, gibt es
jetzt ein weiteres, ergänzendes Angebot unter der Adresse vaticanstate.va,
das über die Einrichtungen des Vatikans wie den Petersdom, die vatikanischen
Gärten oder das Münzamt informiert. |
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Virtueller Blick auf das Papstgrab |
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In fünf Sprachen können sich Internetnutzer über den
römisch- |
katholischen Kirchenstaat informieren. Fünf Webcams liefern den
Besuchern der Webseite einen aktuellen Blick auf die Peterskirche und sogar
auf das Grab des 2005 verstorbenen Papstes Johannes Paul II. Bildergalerien
über die vatikanischen Gärten und die päpstliche Sommerresidenz
Castel Gandolfo komplettieren das Angebot. |
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Im Vatikan ist für das neue Internetportal Kurienbischof Monsignore
Renato Boccardo zuständig. Seit 2005 ist er Generalsekretär des
Governatorates des Vatikanstaates. Er und sein Team kümmern sich in
diesen Tagen intensiv darum, dass die neue Seite keine Wünsche für
den Besucher offen lässt. |
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Zur Eröffnung des Portals sagte Bischof Boccardo gegenüber
Radio Vatikan: »Dieses Portal ist entstanden, weil wir den |
Staat der Vatikanstadt auf eine neue Weise vorstellen möchten.
Hier läuft ja etwas wie das Alltagsleben des Heiligen Stuhles |
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ab. Die Seite soll jenen Besuchern Antwort geben, die sich bisher per
Telefon, Mail oder Post an uns gewandt haben. Es ist eine Art Fenster,
das erlaubt, einen Blick in den Vatikan als Staat zu werfen.« |
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Monarchistische Staatsführung |
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Nicht nur einen, sondern gleich mehrere Blicke hinter die Mauern des
Kirchenstaates hat in den vergangenen Jahren Jessica Krämer werfen
können. Die naktuell.de-Mitarbeiterin hatte dort die Gelegenheit,
ein Gespräch mit Bischof Renato Boccardo zu führen. |
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naktuell.de: Bischof Boccardo, was ist das »Governatorato«
und wie kann man sich ihre Arbeit vorstellen? |
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Bischof Boccardo: »Das ›Governatorato‹ ist die Regierung des
Vatikanstaates. Es ist Drehscheibe aller Aktivitäten dieses kleinen
Territoriums. Von hier aus wird alles gesteuert – unabhängig und souverän.
Das General- |
sekretariat hat die Aufgabe, die verschiedenen Abteilungen zu koordinieren,
die das Leben und den Betrieb des Apparats sichern. Es wird in neun Direktionen
unterschieden, jede ist in ihrer Kompetenz eigenständig. Das Generalsekretariat
koordiniert die Aufgaben. |
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Der Staat wird wie eine Monarchie geführt, der Papst steht
über allem. Durch die Kommission der Kardinäle oder des Präsidenten,
wird der Papst repräsentiert und in seinem Namen Entscheidungen gefällt.
Die päpstliche Kommission besteht derzeit aus sieben Kardinälen,
deren Präsident Erzbischof Monsignore Giovanni Lajolo ist. Er führt
die exekutive Gewalt des Vatikanstaates. In seiner Tätigkeit wird
er von einem Generalsekretär unterstützt, der als Leiter des
Governatorats für die zentrale Verwaltung zuständig ist.« |
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naktuell.de: Welche Hauptaufgaben sind das? |
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Bischof Boccardo: »Wie bereits erwähnt, werden hier die
ganzen Aktivitäten des Staates abgewickelt, vor dem Gesichtspunkt
– administrativ, disziplinär und technisch. Die Leitung der Finanzen
für die momentan 1740 Angestellten. Ich führe Bewerbungsgespräche,
täglich kommen Menschen mit Ihren Problemen zu mir, ich spreche mit
allen, aber ob man dann für alles eine Lösung finden kann, ist
nicht sicher. |
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Personen, die ›von Außen‹ kommen, erhalten hier zum Beispiel
die Erlaubnis und Auftrag, die technischen Anlagen und Aufbauten der Gebäude,
die gewartet werden müssen, zu prüfen. Auf der 44 Hektar großen
Fläche des Vatikans sind in den Gebäuden verschiedene Dienstleistungen
untergebracht. Diese Gebäude müssen instandgehalten werden –
Heizung, Elektrizität etc. Das Generalsekretariat hat auch all diese
Dinge zu überwachen und zu steuern. Auch die Vatikanischen Museen,
die Post, alle Agenturen, die Vermächtnisse der Direktionen, sind
dem Governatorato unterstellt.« |
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Besucheransturm teils problematisch |
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Bischof Boccardo: »In den Wintermonaten besuchten zum Beispiel
täglich zirka 10.000 Menschen die Vatikanischen Museen. Im vergangenen
Jahr wurden dort mehr als vier Millionen Besucher gezählt.« |
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naktuell.de: Das ist ja sehr beeindruckend. |
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Bischof Boccardo: »Ja natürlich! In der Hochsaison sind
es sogar bis zu 18.000 Besucher am Tag.« |
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naktuell.de: Man muss teilweise sehr lange anstehen um die Vatikanischen
Museen besuchen zu können. |
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Bischof Boccardo: »Ja, das ist in der Tat ein Problem. Natürlich
sind wir glücklich die Schätze der Museen zeigen zu können,
doch sind sie einem solchen Besucherandrang nicht gewachsen. Der gesamte
Weg durch die Museen ist zirka sieben Kilometer lang. Die Gebäude
waren im 15./16. Jahrhundert als private Wohnungen gebaut worden. Da hat
man keine großen Flure und Türen gebaut. Damals hat man natürlich
nicht daran gedacht, dass diese eines Tages ein Museum sein werden. Aber
wir arbeiten derzeit an der Lösung des Problems.« |
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Berufung steht an erster Stelle |
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naktuell.de: Wie weit können Sie in Ihrer Tätigkeit auch
Priester beziehungsweise Bischof sein? |
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Bischof Boccardo: »Die Tätigkeit als Generalsekretär |
nimmt natürlich den größten Teil meiner Zeit ein.
Daneben gibt es aber auch die pastoralen Aufgaben, wie Priester und Bischof
zu sein. Das ist der grundlegende Teil des Lebens. Deshalb versuche ich
gerne Einladungen anzunehmen, wo mich Gemeinden oder andere Gruppen einladen
um mit Ihnen gemeinsam etwas Zeit zu verbringen, einen Moment des Gebets
zu erleben und |
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die Eucharistie oder ein Fest zu feiern. |
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Das sind die Möglichkeiten des pastoralen Lebens, eben diese
Berufung – wie ich glaube – an erster Stelle steht. Aber es ist nicht immer
möglich, nur alleine diesen Einladungen zu folgen, sondern ich muss
auch im Büro anwesend sein. Aber diese pastorale Tätigkeit unterstützt
mich auch bei meiner Arbeit im Büro. Unter der Woche zelebriere ich
jeden Morgen die Heilige Messe bei einer Gemeinschaft. Am Wochenende nehme
ich dann meistens die Einladungen der Gemeinden an und fahre herum.« |
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Jeden Tag im Büro |
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naktuell.de: Was hat sich im Bezug auf Ihre frühere Tätigkeit
als Organisator der päpstlichen Reisen gegenüber Ihrer jetzigen
Tätigkeit am Meisten verändert? |
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Bischof Boccardo: »Für die Organisation der päpstlichen
Reisen war ich viel unterwegs. Denn für jede Reise des Papstes sind
mindestens zwei Besuche vorausgegangen. Für die Planungen vor Ort,
um in Kontakt mit den |
lokalen Kirchen zu stehen und dann für die Organisation mit
den Zivileinrichtungen. Deshalb reiste ich sehr viel |
und war häufig vom Vatikan weg. Nun bin ich die meiste Zeit
im Büro anwesend. Das ist die größte Veränderung |
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im Vergleich zu meiner letzten Aufgabe. |
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Wenn ich die Papstreisen organisiert habe, habe ich normalerweise
sechs Monate vorher damit begonnen. Dann musste ich zwei bis drei Mal in
das Land reisen, wo der Besuch stattfinden wird. Hier habe ich jeden Tag
im Büro zu sein. Es muss viel organisiert werden, ich bekomme viel
Besuch, muss Telefonate führen, habe Meetings etc. Ich muss mich um
die verschiedensten Dinge kümmern. Beides ist spannend und interessant
für mich.« |
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naktuell.de: Bischof Boccardo, herzlichen Dank für das Gespräch. |
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Zur Person |
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Bischof Renato Boccardo wurde am 21. Dezember 1952 in
S. Ambrogio bei Turin als einziges Kind der Familie geboren. Nach dem Abitur
trat er mit 18 Jahren ins Priesterseminar in Turin ein und wechselte später
nach Rom, um an der Gregoriana-Universität zu studieren. 1977 wurde
er zum römisch-katholischen Priester geweiht. |
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1982 trat er als Diplomat in den Dienst des Vatikans
und war in Bolivien, Kamerun und Frankreich tätig. Danach war er kurzzeitig
Assistent von Erzbischof Piero Marini, dem Zeremonienmeister des Papstes,
bevor er in den Päpstlichen Rat für die Laien wechselte, wo er
für die Jugendarbeit zuständig war. Danach organisierte er zwei
Jahre lang als »Reisemarschall« die Papstreisen und war Sekretär
des »Päpstlichen Rates für soziale Kommunikationsmittel«.
2004 wurde er zum Bischof geweiht, im Februar 2005 berief ihn Papst Johannes
Paul II. zum Generalsekretär des Vatikanstaates. |
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Wenn es seine Zeit zulässt, liest Boccardo (neben
der Bibel) Bücher zu kirchlichen Themen und Persönlichkeiten,
natürlich auch Bücher des gegenwärtigen Papstes Benedikt
XVI., sehr gerne auch Geschichtsbücher. Er liebt klassische Musik
und, wenn er die Möglichkeit hat, spielt er Tennis oder geht in der
Nähe von Rom in den Bergen Skifahren. |
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Interview und Bildmaterial:
Jessica Krämer; |
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Einleitung und Zusatzinformationen:
Jessica Krämer und Jens
Joachim; veröffentlicht am 24.08.2007 |
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