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Heute ist  .
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01.12.2004
„Wie die katholische Kirche vor hundert Jahren“
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Siegfried Dannwolf, der wohl prominenteste ehemalige NAK-
Priester und Kirchenaussteiger im deutschsprachigen Raum, hat abermals seine Kritik an den aus seiner Sicht autoritären Strukturen in der Neuapostolischen Kirche bekräftigt. Dannwolf wurde in den 90er Jahren durch Vorträge, Veröffentlichungen und Medienauftritte bekannt. Vor elf Jahren gründete er in Stuttgart eine Selbsthilfegruppe für NAK-Aussteiger.
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„Angst vor dem großen Loch“
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Unter der Überschrift „Angst vor dem großen Loch macht den Ausstieg schwer“ berichtete die Stuttgarter Zeitung am
20. November 2004 in einem vierspaltigen Artikel über den schwierigen Ablösungsprozess des heute 52-jährigen, der als Prokurist bei der Holdinggesellschaft des Südwestrundfunks tätig ist. In dem Bericht heißt es, Dannwolf sei – wie viele andere Gläubige auch – in die NAK hineingeboren. Als Kind sei er zur Sonntagsschule, zu den Jugendtagen gegangen, habe keinen Gottesdienst versäumt und sei später in den Predigtdienst berufen worden. Auch seine Frau und seine beiden Söhne seien, wie die übrige Verwandtschaft und die meisten Freunde auch, „selbstverständlich“ in die NAK gegangen. 
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Für Dannwolf habe sich die Entscheidung, aus der NAK auszutreten, über drei Jahre hingezogen. Nach zwölf Jahren als Priester in der Gemeinde Kornwestheim sei ihm aufgefallen, dass seine Gefühle nicht mit den „Gefühlsvorgaben“ der Kirche übereingestimmt hätten. Als er begonnen habe, in der Bibel zu lesen, sich seine eigenen Gedanken zu machen und diese auch am Sonntag zu predigen, sei dies den Gemeindevorstehern aufgefallen. „Die wussten ja, was in den von Zürich vorgegebenen Richtlinien stand“, wird Dannwolf zitiert. Der Ausstieg aus dem „Teufelskreis“ sei schwer, „weil viele Angst vor dem großen Loch haben“. Er habe dies selbst erfahren.
So seien seine Kinder nicht mehr zu den Geburtstagen ihrer Freunde eingeladen worden und auch seine Eltern, die während der Ausstiegsphase zu ihm gehalten hätten, seien in der Gemeinde gemieden worden. Zugleich, so heißt es in dem Bericht weiter, werde Aussteigern vorgehalten, „dass sie ihr Seelenheil verspielten“, mehr Psychodruck gebe es jedoch nicht“.
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Wenig Zeit für außerkirchliche Aktivitäten
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Das Gemeindeleben der neuapostolischen Christen, so beschreibt es Dannwolf, wirke von außen warmherzig und familiär – und dies sei auch so „für alle, die stromlinienförmig sind“. Die meisten Mitglieder würden von Geburt an zur Kirche gehören. Selten komme ein neues Mitglied hinzu. Mit zwei Gottesdiensten am Sonntag und Mittwoch, mit Chorproben und Jugendabenden bleibe nicht viel Zeit für andere Aktivitäten.
Wer aber Kritik äußere, „erlebe eine andere Seite der Kirche“.
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Dannwolf, so erfährt man weiter, sei bei seiner Tätigkeit als Priester lange Zeit beobachtet und nicht mehr zur Predigt aufgerufen worden. Dann berichtet die Zeitungsredakteurin
über eines von drei „Inquisitionsgesprächen“, wie er sie offenbar noch heute nennt, in dem er in der Stuttgarter Kirchenverwaltung ermahnt worden sei, sich an die Richtlinien zu halten. „Physisch und psychisch fertig“ sei er nach den Gesprächen mit den Kirchenoberen gewesen. Als Ende 1988 dann ein Gemeindevorsteher aus Stuttgart „zwischen Tür und Angel“ seines Amtes enthoben und daraufhin schwer krank geworden sei, habe das für Dannwolf den Ausschlag gegeben, aus der Kirche auszutreten. „Heute bin ich froh darüber, sonst hätte ich diesen Schritt vielleicht nicht so schnell gewagt.“
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Eine Mitgliedschaft in einer Kirche kann sich Dannwolf offenbar nicht mehr vorstellen. „Ich besuche mal einen Gottesdienst, ich beschäftige mich mit dem Buddhismus, aber binden will ich mich nicht mehr“, sagt Dannwolf fünfzehn Jahre nachdem er sein Priesteramt niedergelegt hat und elf Jahre, nachdem er bei der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (Kiss) in Stuttgart die „Selbsthilfe-Initiative für Aussteiger der Neuapostolischen Kirche“ gegründet hat. Schon im ersten Jahr hätten rund 600 ehemalige NAK-Mitglieder Kontakt gesucht. Manche hätten sich immer noch daran erinnert, dass sie als Kinder Angstzustände durchlebt hätten, wenn die Eltern später als geplant nach Hause gekommen seien. „Dann dachten sie, jetzt ist Jesus zurückgekommen und hat sie mitgenommen, mich aber zurückgelassen weil ich nicht genug Glauben habe“, wird Dannwolf zitiert.
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„Seit Jahren die gleichen Vorwürfe“
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Jürgen Sarfert, der Öffentlichkeitsbeauftragte der NAK Süddeutschland, äußerte auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung, Danwolf trage seit Jahren die gleichen Vorwürfe vor. Er verkenne aber, dass sich seit seinem Austritt viel in der Kirche getan habe. „So einen Unsinn“ könne nur behaupten, wer die Veränderungen nicht kenne. Zu den Vorgaben für die Predigten sagte der Kirchensprecher, es gebe zwar ein „Amtsblatt“
(gemeint sind die monatlichen „Leitgedanken zum Gottesdienst“ für Amtsträger der NAK), in dem eine Richtlinie stehe, doch was der Einzelne daraus mache, sei vollkommen frei dem Geist überlassen. Für Ältere sei es freilich nicht üblich gewesen, Kritik zu äußern. „Siegfried bringt das immer wieder, weil er keine neuen Argumente hat“, äußert NAK-Sprecher Sarfert, der laut Zeitungsbericht sogar behauptet, dass Dannwolf gar nicht aus der Kirche ausgetreten sei und immer noch im Kirchenbuch geführt werde.
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Auch der Anspruch, die einzigen Erwählten zu sein, ist nach Aussage des Kirchensprechers so nicht gegeben: „Wir sehen uns als Gotteskinder und gehen diesen Weg, aber andere Religionen haben auch ihre Standpunkte.“ Ferner berichtet Sarfert darüber, das auch die NAK jüngst in Stuttgart das „Manifest der Religionen“ unterschrieben habe. Die neuapostolischen Christen seien aber sicher „bibeltreuer und viel aktiver als andere“ und im Rathaus und in der Stadt als fleißge Bürger bekannt, erklärte Sarfert offenbar sichtlich stolz der Zeitungsredakteurin.
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Für Dannwolf ist es laut dem Bericht allerdings „unvorstellbar“, dass sich in den vergangenen zwölf Jahren so viel verändert hat. Die NAK sei „vergleichbar mit der katholischen Kirche vor hundert Jahren“. Aber selbst dort habe es mehr öffentliche Kontrolle gegeben. Nur nach außen habe die NAK das „Erwähltsein“ relativiert, tatsächlich sei man immer noch davon überzeugt. Noch im Juni habe der Stammapostel in einem Gottesdienst in Böblingen erklärt, obwohl das Wort auf Kritik stoße, sei die Erwählung trotzdem „eine göttliche Tatsache“.
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Kritik an redaktionellem Stil
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Unter der Überschrift „Bedenklicher Bericht“ druckte die Stuttgarter Zeitung am 25. November 2004 als Reaktion auf den Zeitungsartikel einen Leserbrief des Diplom-Physikers und Professors a.D. Dieter A. E. Ehlermann ab. Der Zeitungsleser äußert eingangs, er kenne die neuapostolische Glaubenslehre nicht und „habe darüber hinaus auch keinen Anlass, fragwürdige Praktiken irgendeiner Religionsgemeinschaft zu verteidigen“.
In seiner Zuschrift kritisiert er aber, dass in dem Beitrag nur die Äußerungen einer einzelnen Person angeführt worden seien. Offenbar sei „nichts an dem Artikel sorgfältig recherchiert“. Er jedenfalls finde den Bericht „bedenklich“.
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Was beweise denn die Aussage des befragten Zeugen, der Ausstieg sei „schwer“, so Zeitungsleser Ehlermann. Das gelte doch überall „bei seelischen Drogen wie Glaubensgruppen“. Über die Lehren der NAK sei in dem Artikel nichts berichtet worden. Auch in anderen Kirchen gebe es Vorgaben für Predigten. Was sei also verwerflich daran, dass es so etwas bei der NAK gebe. Und warum sollte man nicht an ein „Erwähltsein“ glauben, schließlich seien doch auch die Juden „das erwählte Volk Gottes“. Und soweit die Gegenargumente der Neuapostolischen Kirche wiedergegeben wurden, sei dies in einem redaktionellen Stil geschehen, der diese Ausführungen weniger glaubwürdiger erscheinen lasse als die einer einzelnen, enttäuschten Person. 
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Jens Joachim, 01.12.2004
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Siegfried Dannwolf, ehemaliger NAK-Priester
Bild: sonntagsblatt-bayern.de/…
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Hintergrund
„Angst vor dem großen Loch macht den Ausstieg schwer“ – Artikel aus der Stuttgarter Zeitung vom 20.11.2004
naktuell.de/presse/…
„Das Ende ist nah – seid gehorsam!“ – Artikel aus
der evangelischen Wochen-
zeitung  „Sonntagsblatt für Bayern“, Juli 2001
naktuell.de/recherche/…
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Literatur
„Gottes verlorene Kinder – Ein Ex-Priester der Neuapostolischen Kirche klagt an“ lautet der Titel des 1996 im Güterlsoher Verlagshaus erschienen Taschenbuchs, das Siegfried Dannwolf nach seinem Ausstieg verfasst hat. Das Buch ist aber inzwischen vergriffen.
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Kontakt
Wer Kontakt mit der 
„Selbsthilfegruppe für Aussteiger der NAK“ aufnehmen will, kann sich
an die Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen, Marienstraße 9 in
70178 Stuttgart, wenden.
Telefon: (07 11) 6 40 61 17
kiss-stuttgart.de
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