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24.01.2004 |
Das Gegenteil von gut ist „gut
gemeint“ |
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naktuell.de im Gespräch mit Rainer Ballnus, neuapostolischer Autor
von Ratgeberliteratur, über Lebenshilfe, Seelsorge und Kommunikationspflege
im kirchlichen Bereich. |
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naktuell.de: Sie sind 59 Jahre alt, in Schleswig-Holstein beheimatet, |
neuapostolisch, verheiratet, haben 3 Kinder und arbeiten als Kriminalist |
im Psychologischen Dienst der Polizei. Nebenberuflich betätigen
Sie |
sich als Lehrtrainer für psychologische Verhaltenstrainings. In
der Gebietskirche Hamburg haben Sie in einer Arbeitsgruppe zum Leitbild
„Dienen und Führen in der Neuapostolischen Kirche“ mitgewirkt. |
Darüber hinaus haben Sie zwei Bücher verfasst, in denen Sie
aus persönlichen und beruflichen Erfahrungen schöpfen und Aspekte
der Konfliktbewältigung und der christlichen Seelsorge behandeln. |
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Was hat Sie dazu gebracht, sich als Autor von Ratgeberliteratur zu
betätigen und Bücher dieses Genres auf den Markt zu bringen? |
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R. Ballnus: „Einfach die Tatsache, dass ich selbst viel gelesen
habe über Konflikte und Begleitung von Menschen, die in Seelennot
sind, und das verarbeitet habe für meine Trainings. Ich habe festgestellt,
dass diese Bücher oft schwer zu verstehen sind und mehr der Wissenschaft
dienen, aber nicht dem Hausgebrauch. Deshalb habe ich einen ganz anderen
Stil gewählt, um Menschen dieses Thema so hautnah darzustellen, dass
sie damit auch etwas anfangen können.“ |
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Sich selbst auf den Prüfstand stellen |
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naktuell.de: Auf dem Büchermarkt gibt es massenhaft Ratgeberliteratur
mit psychologischem Hintergrund und Lebenshilfen aller Art. An wen wenden
sich Ihre Bücher? Was kann der Leser erwarten, wenn er ausgerechnet
zu Ihren Aufzeichnungen greift? |
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R. Ballnus: „In dem Buch ‚Konflikte regeln‘ geht es
darum, dass es immer noch Menschen gibt, die sich in Konflikten hilflos
fühlen, vor allem im Nahbereich, im intimen Bereich, in der Partnerschaft
oder zwischen Eltern und Kindern, aber auch im beruflichen Bereich. Dafür
empfiehlt dieses Buch praktische Werkzeuge. Gerade bei Konflikten ist es
wichtig, sich einmal selbst auf den Prüfstand zu stellen und zu sagen:
Wie verhalte ich mich, und wie sehen das andere? Es ist wichtig, Rückmeldungen
zu erbitten. Man hat zwar eine Vorstellung davon, wie man in Konfliktsituationen
vorgeht, aber die anderen nehmen es vielleicht anders wahr. |
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In dem Buch ‚Wenn die Seele weint‘ geht es um Seelsorge,
um die Begleitung von Menschen in Seelennot. Da ist die Erfahrung noch
viel prägnanter, dass Mitmenschen gerne helfen möchten, aber
eine eigene Hilflosigkeit erkennen. Manchmal gibt es auch Hilfe, die nicht
angenommen wird. Dann gibt es Erstaunen oder sogar Ärger, weil man
etwas Gutes tun möchte und der andere überhaupt gar kein Ohr
dafür hat. In diesen Situationen zu erklären, woran das liegt,
und andere Wege zu finden, die eine Hilfe sein können, das ist mein
Anliegen. Die Bücher sind so konzipiert, dass jeder, der an sich und
an dem Umgang mit anderen arbeiten möchte, etwas mitnehmen kann. Ich
gebe viele Beispiele, von denen ich glaube, dass sie Realität sind
– nicht nur im christlichen Umfeld sondern generell im Miteinander. Ich
beginne jedes Kapitel mit einer Geschichte, die erlebt worden ist, und
darin finden sich meine Leser häufig wieder.“ |
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Seelsorge ist überall gleich |
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naktuell.de: In beiden Büchern bekennen Sie sich offen zum neuapostolischen
Glauben und berichten anhand einiger Beispiele auch von Erfahrungen aus
Ihrem kirchlichen Umfeld. Wie gehen die vorrangig nicht-neuapostolischen
Leser mit diesem konfessionellen Bekenntnis um? Welche Rückmeldungen
haben Sie erhalten? |
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R. Ballnus: „Die Bücher sind allgemein gehalten. Ich habe aber
eben auch erwähnt, was in meiner Gemeinschaft, der Neuapostolischen
Kirche, passiert. Bei Lesungen wurde ich überhaupt nicht darauf angesprochen.
Ich habe mit vielen Gläubigen Kontakt gehabt, die mir bestätigt
haben, dass es in anderen Gemeinschaften die gleichen Probleme gibt. Man
muss es trennen. Zum einen gibt es die seelsorgerische Begleitung im Gebet
und der Fürsprache, und dann gibt es die menschliche Begleitung. Beides
macht einen Seelsorger aus. Ich habe auch Seelsorger aus den großen
Kirchen kennen gelernt, die das Buch empfohlen haben in Kursen, in denen
Angehörigen der Umgang mit Schwerkranken nähergebracht worden
ist. Damit haben andere Christen genau die gleichen Schwierigkeiten. Das
ist meine Erfahrung.“ |
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Ratschläge sind keine Hilfe |
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naktuell.de: Was macht Ihre Bücher im speziellen für neuapostolische
Leser interessant? |
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R. Ballnus: „Mein kirchliches Umfeld ist mir sehr wichtig. Ich bin
in einem neuapostolischen Elternhaus aufgewachsen. Mein Vater war Seelsorger,
mein Bruder auch über viele Jahre, und so hatte ich zeitlebens Umgang
mit Glaubensgeschwistern und Amtsbrüdern. Jemanden in einer schweren
Not zu begleiten (sei es nach einer todbringenden Diagnose oder sei es
nach dem Verlust eines lieben Menschen), gerade da erlebe ich Ansätze
von Seelsorge, die den betroffenen Geschwistern einfach nicht gut tut.
Es gibt einen Spruch, der das Problem deutlich macht: Das Gegenteil von
gut ist ‚gut gemeint‘. Ich glaube, dass alle Seelsorger in
unserer Kirche es gut meinen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Es
kommt nur bei den Betroffenen nicht an, weil |
– nach den Erkenntnissen der Psychologie – Empfehlungen und Ratschläge
nicht geeignet sind, eine Hilfestellung zu sein. |
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Der neuapostolische Leser möge erkennen, dass die seelsorgerischen
Mittel, die wir in unserer Kirche parat haben (also Gebet, Fürbitte,
sich an seinen Amtsbruder wenden und ihn beteiligen), in jedem Fall erhalten
bleiben und sogar gestärkt werden. Dann gibt es aber noch eine ganz
menschenfreundliche Verhaltensweise, wo die Gesinnung Jesu offenbar wird,
nämlich Wertschätzung. Wenn wir alle nach dem Gebot ‚Liebe
Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst‘ handeln
würden, bräuchten wir keine Anleitung. Aber wir fallen oft in
andere Verhaltensweisen zurück. In dem Buch wird zum Ausdruck gebracht,
was Wertschätzung im Umgang miteinander bedeutet.“ |
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Hierarchie behindert Kommunikation |
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naktuell.de: Welche der von Ihnen behandelten Themenfelder sind für
das Miteinander in unserer Gemeinschaft besonders relevant? |
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R. Ballnus: „Im Konfliktbereich liegt eine besondere Schwierigkeit
in der Neuapostolischen Kirche darin, dass wir eine ausgeprägte Hierarchie
haben. Diese Organisationsstruktur bedingt, nach der bisherigen Erkenntnis,
einen ungebrochenen und unbedingten Gehorsam. Wenn dann im Brüderkreis
Konflikte hochkommen |
(so wurde mir immer wieder berichtet), dann ist eine Konfliktlösung
deshalb sehr erschwert, weil die niedere Amtsstufe sich nicht traut, aus
dem Glaubensgehorsam heraus, offen ihre Befindlichkeiten und Bedürfnisse
anzusprechen. Ich glaube das ist ein Erschwernis in unserer Organisation,
die jetzt so langsam aufbricht, aber längst noch nicht für alle.
Manch einer murrt, hat aber keine Werkzeuge, um angemessen |
und menschenfreundlich mit seinem Amtsbruder zu sprechen. Dann entsteht
eher ein ‚Gepolter‘ und es kommt zu Verletzungen. Das ist
ein besonderer Umstand in unserer Kirche, der aufgebrochen werden muss. |
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Das betrifft nicht nur die Sprache selbst. Was ich in unserer Kirchenwelt
vermisse, |
ist, dass jeder (egal in welcher Funktion) bereit ist, sein eigenes
Verhalten auf den Prüfstand zu stellen. Dass ein Bischof oder ein
Apostel sagt: ‚Brüder, ich möchte von Euch wissen, wie
bin ich im Umgang mit Euch? Ich möchte ein klares Bild haben. |
Wir schätzen uns ja alle selbst ein und manchmal ist die Fremdeinschätzung
ganz anders. Ich möchte auch Mut machen, offen zu sein. Ich weiß,
in der Vergangenheit ist das nicht möglich gewesen, aber ich bitte
Euch darum!‘ – Dann würde viel weniger über andere gesprochen
werden, sondern miteinander. |
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Aber die Bereitschaft, das eigene Verhalten und die Einstellungen
auf den Prüfstand |
zu stellen, muss gegeben sein. Wenn man etwas verändern will,
muss man mit dem Kopf beginnen – unser Kirchen-Management muss Vorbild
und Vorreiter sein! Keiner soll Angst haben, jemandem zu sagen, wie er
ihn wahrgenommen hat. Im Leitbild
‚Dienen und Führen‘
gibt es den schönen Satz: Es muss möglich sein, angstfrei zu
kommunizieren. Genau darum geht es! Wir sind einfach noch zu angstbesetzt.
Wir trauen uns nicht, direkt zu kommunizieren, und dann redet man mit anderen
darüber.“ |
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„Zuhören ist eine hohe Kunst“ |
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naktuell.de: Neuapostolische Seelsorger sind in der Regel Laien ohne
fachliche Ausbildung und spezielle Kenntnisse im Umgang mit Problemfällen
oder für die Bewältigung besonderer Lebenssituationen. Trotzdem
sind sie nicht selten gefordert, Antworten auf Fragen zu geben, Trost zu
vermitteln und Beistand zu leisten. Wie sieht Seelsorge aus, die den Einzelnen
wirklich erreicht? Können Sie, aus Ihren Erfahrungen heraus, einige
praktische Hinweise für die persönliche Seelsorge geben? |
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R. Ballnus: „Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, den nicht vorgebildeten
Seelsorgern zu sagen: Sei so wie du bist, sei menschlich, sei offen und
zeige durchaus auch eigene Gefühle. Aber enthalte dich gut gemeinter
Sprüche. Dass man einer an Krebs erkrankten Glaubensschwester, die
sich dem Seelsorger offenbart, sagt: ‚Der liebe Gott vergisst Sie
nicht!‘, ist keine konkrete Hilfe in solch einem Augenblick. Der
Seelsorger sollte sich einfach der Ängste und Gefühle dieser
Schwester annehmen und das auch verbalisieren. |
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Meine Erfahrung ist, landauf, landab, aber auch bei Seelsorgern
unterschiedlicher Ausprägung, dass einfach nicht zugehört wird!
Ich habe das an mir selbst erlebt. Ich bin einmal schwer krank gewesen.
Wenn mich dann jemand fragte: ‚Bruder Ballnus, wie geht es Ihnen?‘
und ich fing an und merkte, dass die Augen des Amtsbruders zu anderen Geschwistern
gingen, mal dahin, mal dorthin, wurde ich nicht nur traurig, sondern auch
wütend. Dann habe ich mich verschlossen. Ich glaube, dass das insgesamt
weit verbreitet ist. Zuhören ist eine hohe Kunst! |
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Nun gibt es bereits eine Ausarbeitung der NAK zum Umgang mit Todkranken
und Schwerkranken. Da ist eben auch angemerkt, dass dieses einfühlende
Verständnis trainiert werden muss. Das ist uns nicht eigen. Das bedeutet
eben auch, Pausen zu ertragen, Schweigen auszuhalten, auch mal mitzuweinen,
mal nichts zu sagen und den anderen in den Arm nehmen, seine eigene Hilflosigkeit
verbalisieren, sich all seiner Gedanken und Gefühle anzunehmen. Dass
man sagt: ‚Liebe Schwester, Ihre Angst ist im Moment ganz groß,
dass sie diese Krankheit nicht überstehen und vielleicht sterben müssen.‘
– Man könnte zwar sagen, das sei ein Stecken des Fingers in die Wunde. |
Aber genau das tut so gut, weil der andere sich verstanden fühlt.
Dann wird erzählt und der Seelsorger begleitet und hört einfach
zu. Das ist etwas wunderbares! |
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Und wenn man dann gemeinsam auf die Knie geht und sagt: ‚Jetzt
weiß ich es, jetzt kann ich mitfühlen und jetzt sagen wir es
dem lieben Gott und bitten ihn um Hilfe‘, dann ist das die herrlichste
Kombination, die man sich vorstellen kann.“ |
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Das Tal gemeinsam durchschreiten |
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naktuell.de: Bezirksapostel Leber umschrieb den Begriff „Seelsorge“
in einer Ämterstunde einmal mit den Worten: „Die Seelen sollen sich
umsorgt fühlen.“ |
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R. Ballnus: „Und das passiert eben dadurch, dass man sich aller
Gedanken und Gefühle des anderen annimmt. Jeder Seelsorger, jeder
Mensch, will einen anderen, der etwas durchmacht, trösten. Nur da
sagt die Psychologie, dass bei innerem Schmerz ein Trost durch Abmindern
dieser Sorge (‚Das schaffst du schon, der liebe Gott ist bei dir,
andere haben das auch geschafft und du wirst sehen, alles wird wieder gut‘)
nicht erreicht wird. Das ist belegt! Es ist auch nicht gut, Gefühle
herabzumildern oder gut gemeinte Ratschläge zu geben. Wir müssen
erst durch das tiefe Tal der Angst, der Sorge, der Verzweiflung hindurch.
Erst dann kann man helfen! Wenn jemand sagt: |
‚Ich will leben, ich will kämpfen‘, dann kann man loslegen
mit allen Ratschlägen und Empfehlungen, die es gibt. Das Tal muss
gemeinsam durchschritten werden, erst dann ist die Bereitschaft da, einen
Ratschlag anzunehmen.“ |
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Erstmals offen über Konflikte sprechen |
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naktuell.de: Sie haben neben regulären Schulungen zum Thema „Konfliktlösung“
auch Seminare mit neuapostolischem Hintergrund durchgeführt. Was ist
bei einem Seminar, das sich speziell an neuapostolische Christen wendet,
anders als bei anderen Seminaren? |
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R. Ballnus: „Im Prinzip nichts. Das einzige, was sich unterscheidet,
sind die Konfliktinhalte. In einigen Seminaren haben wir mit Gebet begonnen
und aufgehört. Das war eine Besonderheit. Nach einem ersten Antasten,
sich kennen lernen und Vertrauen herstellen, haben wir viel gelacht, aber
auch geweint. Als Trainer muss man sich einbringen, man öffnet sich
auch für andere. Auch in Kursen außerhalb unserer Kirche erlebe
ich diese offene Atmosphäre, dass man auf Themen kommt, die sehr anrühren.
Insofern gibt es kaum einen Unterschied. |
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Nur die Themenpalette war anders. Das heikle ist gewesen, dass man
in diesem Kreis offen darüber sprach, wie ich mit dem Verhalten meines
Vorstehers, meines Dirigenten, meines Nachbarn aus dem Geschwisterkreis,
mit dem Bischof oder dem Apostel zurechtkomme, wie ich ihn wahrnehme und
was mich bedrückt. Dass man darüber sprechen kann, war für
neuapostolische Christen eine Besonderheit – aber dennoch wertschätzend
und darauf haben wir alle geachtet. Wir haben uns Regeln gesetzt. Wenn
einer die Wertschätzung verlässt, dann sollten wir ihn darauf
aufmerksam machen. Es ist nie erfolgt.“ |
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„Was gesagt wird, darfst du nicht antasten“ |
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naktuell.de: Wie kann man sich den Ablauf eines solchen Seminar vorstellen,
welche Themen wurden konkret behandelt? |
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R. Ballnus: „Im Vorfeld bekamen die Teilnehmer einen Fragebogen,
den ich auswerte. Dann gab es Antworten, dass Geschwister sagten: ‚Ich
habe Konflikte im Umgang mit meinen Seelsorgen, mit den Amtsträgern.
Und je höher das Amt ist, desto unmöglicher wird es mir, Konflikte
anzusprechen, weil ich ja gelernt habe: Was dort gesagt wird, hat Gewicht
und das darfst du nicht antasten. So bin ich erzogen worden und das macht
mir Schwierigkeiten. Auf der anderen Seite merke ich einen Groll in mir,
ich merke dass meine Fröhlichkeit schwindet.‘ – So haben wir
uns dann an die einzelnen Themen herangetastet. |
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Da sind länderübergreifend immer die gleichen Probleme:
Der Orgelspieler, der sich nichts sagen lässt; der Dirigent, der glaubt
besonders wichtig zu sein; der Vorsteher, der niemanden beteiligt im Amtsbrüderkreis,
wenn etwas geregelt wird und der nicht abgeben kann. Es kamen aber auch
sehr verletzende Dinge zum Vorschein, wo wirklich die Menschenfreundlichkeit
gelitten hat. Und das wiederum ist nichts besonderes – denn, wer so erzogen
ist und wo sich etwas aufstaut, bei dem kommt es irgendwann zum Platzen.
Dann verliert man Kontrolle über seinen Verstand, dann wird es ein
typisches ‚Bauchgespräch‘ und das kann weh tun. |
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Wir haben uns auch Zeit genommen zu schauen, wie bin ich selbst
eigentlich veranlagt, wie gehe ich ‚von Haus aus‘ mit Konflikten
um. Schließlich haben wir uns die Werkzeuge angeschaut und Situationen
in Rollenspielen geübt. So haben wir jedes Amt und jede Funktion einfach
mal beleuchtet.“ |
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„Wir haben es alle mit ausgehalten“ |
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naktuell.de: Sie erwähnten, dass es bei Seminaren mit Glaubensgeschwistern
auch zu sehr emotionalen Momenten gekommen sei. Wie haben Sie diese „Bauchgespräche“
dem Thema „Konfliktlösung“ entsprechend behandelt? |
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R. Ballnus: „Es macht gar nichts, wenn ein zweiter oder dritter
auch noch mitweint. |
Wir haben es einfach alle mit ausgehalten! Es war zum Beispiel so,
dass wir mit einem Teilnehmer, der im beruflichen Bereich gemobbt worden
ist, ein Rollenspiel gemacht haben. Dann haben wir ihm durch unsere gemeinsame
Arbeit eine Strategie gegeben. Ich habe den Chef gespielt und dieser Teilnehmer
hat sich wunderbar verhalten. Bei dem Seminar war auch ein Amtsbruder dabei,
der diesen Teilnehmer über längere Zeit seelsorgerisch betreut
hatte. Der Amtsbruder griff das dann auf und hat auch geweint, weil die
beiden schon viele Stunden zusammen verbracht hatten, wo sie völlig
hilflos waren. Solch schöne Dinge sind da passiert, da weint man dann
einfach mit. |
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Wir hatten bereits vorher abgesprochen, ob wir das vorbereitete
Programm wirklich durcharbeiten und zu einem bestimmten Ziel kommen wollen,
oder wir uns einfach |
von den Gesprächen und der Intensität mancher Themen leiten
lassen. So sind wir |
bei einigen Themen stehen geblieben und kamen natürlich nicht
zu dem Abschluss, den ich mir eigentlich vorgestellt hatte. Dann wurde
der Wunsch nach weiteren Seminaren laut. Das hat mir persönlich viel
Kraft gegeben, weil ich gemerkt habe, die Geschwister wollen das, die sind
am Thema dran und neugierig. Es war einfach eine wohltuende Atmosphäre
und eine schöne Gemeinschaft.“ |
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„Man kann nur sich selbst beleuchten“ |
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naktuell.de: Wie war das Feedback der Teilnehmer, welche Rückmeldungen
haben Sie im Nachgang erhalten? |
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R. Ballnus: „Wenn ich ehrlich sein soll, dann klingt das vielleicht
angeberisch. Die Teilnehmer waren voll des Lobes, sie waren angetan, dass
es möglich wurde, einmal offen aber auch wertschätzend über
Konflikte zu sprechen. Es wurde nicht darüber hergezogen, was man
in manchen Runden ja auch erlebt, sondern konkret an einem Fall gearbeitet
und gefragt: Welche Anteile habe ich? Was kann ich tun, damit es beim nächsten
Mal diesen Konflikt nicht mehr gibt oder nicht in dieser Ausprägung. |
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Man kann ja nur sich selbst beleuchten. Sich selbst auf den Prüfstand
zu stellen, schafft die Möglichkeit, im Umgang mit anderen für
Wertschätzung zu sorgen. Meine Werkzeuge, meine innere Einstellung
und soziale Kompetenz, können dafür sorgen, dass sich der andere
schließlich auch verstanden und ernstgenommen fühlt und es viel
weniger ‚nur Eindrücke‘ gibt in der Kommunikation. |
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Trotz aller Wertschätzung gegenüber den Werkzeugen, die
die Psychologie heute bietet, ist eines klar: Es gibt keine Patentrezepte!
Ich kann mir viel Mühe geben und mich wertschätzend verhalten
und erreiche den anderen trotzdem nicht. Das ist möglich. Wir kommunizieren
ja nicht mit Automaten sondern mit Menschen. Aber diese Werkzeuge sind
gute Wegweiser. Jeder Teilnehmer ist gehalten, an sich zu arbeiten. Immer
wenn es eine schwierige Situation gibt, kann er sich daran erinnern und
die Werkzeuge einsetzen. Dann hat er gute Aussichten, etwas regeln zu können,
ohne dass die Beziehung zu dem anderen darunter leidet.“ |
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naktuell.de: Werden Sie weitere Seminare im neuapostolischen Umfeld
durchführen? |
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R. Ballnus: „Das würde ich sehr gerne tun. Ich werde demnächst
als Beamter in den Ruhestand treten. Ich habe meinem Bezirksapostel gesagt:
Ich würde alles andere |
aufgeben – ich gebe ja auch Seminare in der freien Wirtschaft –
und zu Gunsten der neuapostolischen Welt einfach mitgestalten wollen. Weil
ich erlebt habe, was das für eine wunderbare Arbeit ist, hätte
ich auch wirklich Lust dazu.“ |
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Auf dem Boden der Realität |
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naktuell.de: Der neuapostolische Leser Ihrer Bücher wird unschwer
eine Reihe von Parallelen zu eigenen Erfahrungen erkennen, die er auf das
kirchliche Leben übertragen kann. Können Sie sich vorstellen,
einmal ein Buch zu schreiben, dass sich speziell an neuapostolische Leser
wendet, das Themen wie Kommunikation, Konfliktbewältigung und Seelsorge
aus neuapostolischen Erfahrungswelten heraus reflektiert und praktische
Lebenshilfe vermittelt? |
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R. Ballnus: „Das kann ich mir sehr gut vorstellen, weil ich das
sogar schon einmal getan habe. Eigentlich wollte ich nur für die neuapostolische
Welt schreiben. Das geschah aus der Intention in Anlehnung an das Konzept
‚Dienen
und Führen‘. Von dem Buch ‚Konflikte regeln mit Kopf
und Herz‘ gibt es ein vollständiges Manuskript in einer neuapostolischen
Version. Ich habe es dem Friedrich Bischoff Verlag angeboten und auch erlebt,
dass die Inhalte akzeptiert wurden. Ich habe es sogar schriftlich, dass
man interessiert war, das Buch zu verlegen. Die Endabstimmung der Verantwortlichen
hat dann aber dazu geführt, dass Ratgeber diesen Stils noch nicht
in das Verlagsprogramm hineingehören. Das Wort ‚noch‘
habe ich immer noch im Ohr. |
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In diesem Buch habe ich ausschließlich neuapostolische Beispiele
gebracht. Ich habe das Manuskript von vielen Neuapostolischen prüfen
lassen, alt und jung, Männer und Frauen, Amtsträger und Nicht-Amtsträger,
die mir bestätigt haben, dass sich die Schilderungen auf dem Boden
der Realität bewegen. Das Buch unterscheidet sich in den Schlussfolgerungen
nicht von den anderen Büchern. Aber ich glaube, dass der neuapostolische
Leser sich gerne wiederfinden möchte in Konfliktsituationen oder in
Seelennot, die er selbst erlebt hat, im Umgang mit Seelsorgern und Geschwistern.“ |
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Nicht in die „neuapostolische Kultur“ passend |
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naktuell.de: Weshalb wurde das Manuskript vom kircheneigenen Verlag
letztlich doch nicht veröffentlicht? Wie lautete die Argumentation? |
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R. Ballnus: „Der Verlag hat das Buch gelesen und geprüft. Es
wurde als tauglich und lesenswert befunden. Man bat mich, die Ergebnisse
der Arbeitsgruppe abzuwarten, |
um sicherzustellen, dass es zu keinen inhaltlichen Überschneidungen
kommt. Man erwartete ein Jahr später einen erneuten Kontakt. Dann
kam die Nachricht: ‚Wir sind grundsätzlich interessiert an
der Verlegung des Buches‘, aber es müsse noch zu einer Feinabstimmung
kommen. Das geschah einen Monat später. Das Ergebnis hat mich persönlich
etwas irritiert, weil zum Ausdruck gebracht wurde, dass Ratgeber dieses
Inhalts nicht geeignet seien, verlegt zu werden, weil sie nicht in die
neuapostolische Kultur des Verlages passen. Ich war deshalb irritiert,
weil der Verlag das bereits ein Jahr zuvor wusste und interessiert war.
Die Erklärung war für mich nicht schlüssig. Ich sprach dann
mit einem verantwortlichen Mitarbeiter, der mir sagte: ‚Bruder Ballnus,
das kann in zwei, drei Jahren ganz anders aussehen.‘ |
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Nun denke ich daran, andere Wege zu gehen. Die ersten beiden Bücher
habe ich bei einem kleinen Verlag, dessen Besitzer auch neuapostolisch
ist, herausgegeben. Dieser Weg wäre auch für die neuapostolische
Version möglich. Es muss natürlich eine gewisse Marktchance bestehen.
Ich muss nicht davon leben, aber dieser kleine Verlag. Ich persönlich
glaube, dass viele neuapostolische Christen, auch Amtsträger, daran
interessiert sind, für sich etwas zu erlernen, über Sorgen und
Nöte zu sprechen und damit umzugehen. Das ist etwas, was der neuapostolischen
Welt gut tut. Wenn ich einen Beitrag dazu leisten kann, tue ich das gerne.“ |
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naktuell.de: Vielen Dank für das Gespräch! |
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Im Vorbericht
zu diesem Interview finden sich nähere Angaben zu den Büchern
und |
Seminaren von Rainer Ballnus. Die beiden Ratgeber „Konflikte regeln
mit Kopf und Herz“ |
und „Wenn die Seele weint“ sind im Buchhandel erhältlich. |
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Literatur |
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Rainer Ballnus: „Konflikte regeln mit Kopf und Herz“, |
Verlag Nordenmedia, Dezember 2002, 160 Seiten, ISBN 3-935347-14-6,
Preis: 12,50 Euro. |
 |
Bestellen
bei Amazon.de |
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Rainer Ballnus: „Wenn die Seele weint ...“, |
Verlag Nordenmedia, März 2003, 177 Seiten, ISBN
3-935347-15-4, Preis: 13,50 Euro. |
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Bestellen
bei Amazon.de |
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