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Heute ist  .
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24.01.2004
Das Gegenteil von gut ist „gut gemeint“
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naktuell.de im Gespräch mit Rainer Ballnus, neuapostolischer Autor von Ratgeberliteratur, über Lebenshilfe, Seelsorge und Kommunikationspflege im kirchlichen Bereich.
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Rainer G. Ballnus
naktuell.de: Sie sind 59 Jahre alt, in Schleswig-Holstein beheimatet,
neuapostolisch, verheiratet, haben 3 Kinder und arbeiten als Kriminalist
im Psychologischen Dienst der Polizei. Nebenberuflich betätigen Sie
sich als Lehrtrainer für psychologische Verhaltenstrainings. In der Gebietskirche Hamburg haben Sie in einer Arbeitsgruppe zum Leitbild „Dienen und Führen in der Neuapostolischen Kirche“ mitgewirkt.
Darüber hinaus haben Sie zwei Bücher verfasst, in denen Sie aus persönlichen und beruflichen Erfahrungen schöpfen und Aspekte der Konfliktbewältigung und der christlichen Seelsorge behandeln.
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Was hat Sie dazu gebracht, sich als Autor von Ratgeberliteratur zu betätigen und Bücher dieses Genres auf den Markt zu bringen?
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R. Ballnus: „Einfach die Tatsache, dass ich selbst viel gelesen habe über Konflikte und Begleitung von Menschen, die in Seelennot sind, und das verarbeitet habe für meine Trainings. Ich habe festgestellt, dass diese Bücher oft schwer zu verstehen sind und mehr der Wissenschaft dienen, aber nicht dem Hausgebrauch. Deshalb habe ich einen ganz anderen Stil gewählt, um Menschen dieses Thema so hautnah darzustellen, dass sie damit auch etwas anfangen können.
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Sich selbst auf den Prüfstand stellen
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naktuell.de: Auf dem Büchermarkt gibt es massenhaft Ratgeberliteratur mit psychologischem Hintergrund und Lebenshilfen aller Art. An wen wenden sich Ihre Bücher? Was kann der Leser erwarten, wenn er ausgerechnet zu Ihren Aufzeichnungen greift?
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R. Ballnus: „In dem Buch Konflikte regeln geht es darum, dass es immer noch Menschen gibt, die sich in Konflikten hilflos fühlen, vor allem im Nahbereich, im intimen Bereich, in der Partnerschaft oder zwischen Eltern und Kindern, aber auch im beruflichen Bereich. Dafür empfiehlt dieses Buch praktische Werkzeuge. Gerade bei Konflikten ist es wichtig, sich einmal selbst auf den Prüfstand zu stellen und zu sagen: Wie verhalte ich mich, und wie sehen das andere? Es ist wichtig, Rückmeldungen zu erbitten. Man hat zwar eine Vorstellung davon, wie man in Konfliktsituationen vorgeht, aber die anderen nehmen es vielleicht anders wahr.
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In dem Buch Wenn die Seele weint geht es um Seelsorge, um die Begleitung von Menschen in Seelennot. Da ist die Erfahrung noch viel prägnanter, dass Mitmenschen gerne helfen möchten, aber eine eigene Hilflosigkeit erkennen. Manchmal gibt es auch Hilfe, die nicht angenommen wird. Dann gibt es Erstaunen oder sogar Ärger, weil man etwas Gutes tun möchte und der andere überhaupt gar kein Ohr dafür hat. In diesen Situationen zu erklären, woran das liegt, und andere Wege zu finden, die eine Hilfe sein können, das ist mein Anliegen. Die Bücher sind so konzipiert, dass jeder, der an sich und an dem Umgang mit anderen arbeiten möchte, etwas mitnehmen kann. Ich gebe viele Beispiele, von denen ich glaube, dass sie Realität sind – nicht nur im christlichen Umfeld sondern generell im Miteinander. Ich beginne jedes Kapitel mit einer Geschichte, die erlebt worden ist, und darin finden sich meine Leser häufig wieder.
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Seelsorge ist überall gleich
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naktuell.de: In beiden Büchern bekennen Sie sich offen zum neuapostolischen Glauben und berichten anhand einiger Beispiele auch von Erfahrungen aus Ihrem kirchlichen Umfeld. Wie gehen die vorrangig nicht-neuapostolischen Leser mit diesem konfessionellen Bekenntnis um? Welche Rückmeldungen haben Sie erhalten?
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R. Ballnus: „Die Bücher sind allgemein gehalten. Ich habe aber eben auch erwähnt, was in meiner Gemeinschaft, der Neuapostolischen Kirche, passiert. Bei Lesungen wurde ich überhaupt nicht darauf angesprochen. Ich habe mit vielen Gläubigen Kontakt gehabt, die mir bestätigt haben, dass es in anderen Gemeinschaften die gleichen Probleme gibt. Man muss es trennen. Zum einen gibt es die seelsorgerische Begleitung im Gebet und der Fürsprache, und dann gibt es die menschliche Begleitung. Beides macht einen Seelsorger aus. Ich habe auch Seelsorger aus den großen Kirchen kennen gelernt, die das Buch empfohlen haben in Kursen, in denen Angehörigen der Umgang mit Schwerkranken nähergebracht worden ist. Damit haben andere Christen genau die gleichen Schwierigkeiten. Das ist meine Erfahrung.
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Ratschläge sind keine Hilfe
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naktuell.de: Was macht Ihre Bücher im speziellen für neuapostolische Leser interessant?
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R. Ballnus: „Mein kirchliches Umfeld ist mir sehr wichtig. Ich bin in einem neuapostolischen Elternhaus aufgewachsen. Mein Vater war Seelsorger, mein Bruder auch über viele Jahre, und so hatte ich zeitlebens Umgang mit Glaubensgeschwistern und Amtsbrüdern. Jemanden in einer schweren Not zu begleiten (sei es nach einer todbringenden Diagnose oder sei es nach dem Verlust eines lieben Menschen), gerade da erlebe ich Ansätze von Seelsorge, die den betroffenen Geschwistern einfach nicht gut tut. Es gibt einen Spruch, der das Problem deutlich macht: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Ich glaube, dass alle Seelsorger in unserer Kirche es gut meinen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Es kommt nur bei den Betroffenen nicht an, weil
– nach den Erkenntnissen der Psychologie – Empfehlungen und Ratschläge nicht geeignet sind, eine Hilfestellung zu sein.
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Der neuapostolische Leser möge erkennen, dass die seelsorgerischen Mittel, die wir in unserer Kirche parat haben (also Gebet, Fürbitte, sich an seinen Amtsbruder wenden und ihn beteiligen), in jedem Fall erhalten bleiben und sogar gestärkt werden. Dann gibt es aber noch eine ganz menschenfreundliche Verhaltensweise, wo die Gesinnung Jesu offenbar wird, nämlich Wertschätzung. Wenn wir alle nach dem Gebot Liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbsthandeln würden, bräuchten wir keine Anleitung. Aber wir fallen oft in andere Verhaltensweisen zurück. In dem Buch wird zum Ausdruck gebracht, was Wertschätzung im Umgang miteinander bedeutet.
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Hierarchie behindert Kommunikation
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naktuell.de: Welche der von Ihnen behandelten Themenfelder sind für das Miteinander in unserer Gemeinschaft besonders relevant?
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R. Ballnus: „Im Konfliktbereich liegt eine besondere Schwierigkeit in der Neuapostolischen Kirche darin, dass wir eine ausgeprägte Hierarchie haben. Diese Organisationsstruktur bedingt, nach der bisherigen Erkenntnis, einen ungebrochenen und unbedingten Gehorsam. Wenn dann im Brüderkreis Konflikte hochkommen
(so wurde mir immer wieder berichtet), dann ist eine Konfliktlösung deshalb sehr erschwert, weil die niedere Amtsstufe sich nicht traut, aus dem Glaubensgehorsam heraus, offen ihre Befindlichkeiten und Bedürfnisse anzusprechen. Ich glaube das ist ein Erschwernis in unserer Organisation, die jetzt so langsam aufbricht, aber längst noch nicht für alle. Manch einer murrt, hat aber keine Werkzeuge, um angemessen
und menschenfreundlich mit seinem Amtsbruder zu sprechen. Dann entsteht eher ein Gepolter und es kommt zu Verletzungen. Das ist ein besonderer Umstand in unserer Kirche, der aufgebrochen werden muss.
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Das betrifft nicht nur die Sprache selbst. Was ich in unserer Kirchenwelt vermisse,
ist, dass jeder (egal in welcher Funktion) bereit ist, sein eigenes Verhalten auf den Prüfstand zu stellen. Dass ein Bischof oder ein Apostel sagt: Brüder, ich möchte von Euch wissen, wie bin ich im Umgang mit Euch? Ich möchte ein klares Bild haben.
Wir schätzen uns ja alle selbst ein und manchmal ist die Fremdeinschätzung ganz anders. Ich möchte auch Mut machen, offen zu sein. Ich weiß, in der Vergangenheit ist das nicht möglich gewesen, aber ich bitte Euch darum!‘ – Dann würde viel weniger über andere gesprochen werden, sondern miteinander.
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Aber die Bereitschaft, das eigene Verhalten und die Einstellungen auf den Prüfstand
zu stellen, muss gegeben sein. Wenn man etwas verändern will, muss man mit dem Kopf beginnen – unser Kirchen-Management muss Vorbild und Vorreiter sein! Keiner soll Angst haben, jemandem zu sagen, wie er ihn wahrgenommen hat. Im Leitbild Dienen und Führen gibt es den schönen Satz: Es muss möglich sein, angstfrei zu kommunizieren. Genau darum geht es! Wir sind einfach noch zu angstbesetzt. Wir trauen uns nicht, direkt zu kommunizieren, und dann redet man mit anderen darüber.
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„Zuhören ist eine hohe Kunst“
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naktuell.de: Neuapostolische Seelsorger sind in der Regel Laien ohne fachliche Ausbildung und spezielle Kenntnisse im Umgang mit Problemfällen oder für die Bewältigung besonderer Lebenssituationen. Trotzdem sind sie nicht selten gefordert, Antworten auf Fragen zu geben, Trost zu vermitteln und Beistand zu leisten. Wie sieht Seelsorge aus, die den Einzelnen wirklich erreicht? Können Sie, aus Ihren Erfahrungen heraus, einige praktische Hinweise für die persönliche Seelsorge geben?
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R. Ballnus: „Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, den nicht vorgebildeten Seelsorgern zu sagen: Sei so wie du bist, sei menschlich, sei offen und zeige durchaus auch eigene Gefühle. Aber enthalte dich gut gemeinter Sprüche. Dass man einer an Krebs erkrankten Glaubensschwester, die sich dem Seelsorger offenbart, sagt: Der liebe Gott vergisst Sie nicht!, ist keine konkrete Hilfe in solch einem Augenblick. Der Seelsorger sollte sich einfach der Ängste und Gefühle dieser Schwester annehmen und das auch verbalisieren.
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Meine Erfahrung ist, landauf, landab, aber auch bei Seelsorgern unterschiedlicher Ausprägung, dass einfach nicht zugehört wird! Ich habe das an mir selbst erlebt. Ich bin einmal schwer krank gewesen. Wenn mich dann jemand fragte: Bruder Ballnus, wie geht es Ihnen? und ich fing an und merkte, dass die Augen des Amtsbruders zu anderen Geschwistern gingen, mal dahin, mal dorthin, wurde ich nicht nur traurig, sondern auch wütend. Dann habe ich mich verschlossen. Ich glaube, dass das insgesamt weit verbreitet ist. Zuhören ist eine hohe Kunst!
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Nun gibt es bereits eine Ausarbeitung der NAK zum Umgang mit Todkranken und Schwerkranken. Da ist eben auch angemerkt, dass dieses einfühlende Verständnis trainiert werden muss. Das ist uns nicht eigen. Das bedeutet eben auch, Pausen zu ertragen, Schweigen auszuhalten, auch mal mitzuweinen, mal nichts zu sagen und den anderen in den Arm nehmen, seine eigene Hilflosigkeit verbalisieren, sich all seiner Gedanken und Gefühle anzunehmen. Dass man sagt: Liebe Schwester, Ihre Angst ist im Moment ganz groß, dass sie diese Krankheit nicht überstehen und vielleicht sterben müssen. – Man könnte zwar sagen, das sei ein Stecken des Fingers in die Wunde.
Aber genau das tut so gut, weil der andere sich verstanden fühlt. Dann wird erzählt und der Seelsorger begleitet und hört einfach zu. Das ist etwas wunderbares!
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Und wenn man dann gemeinsam auf die Knie geht und sagt: Jetzt weiß ich es, jetzt kann ich mitfühlen und jetzt sagen wir es dem lieben Gott und bitten ihn um Hilfe, dann ist das die herrlichste Kombination, die man sich vorstellen kann.
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Das Tal gemeinsam durchschreiten
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naktuell.de: Bezirksapostel Leber umschrieb den Begriff „Seelsorge“ in einer Ämterstunde einmal mit den Worten: „Die Seelen sollen sich umsorgt fühlen.“
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R. Ballnus: „Und das passiert eben dadurch, dass man sich aller Gedanken und Gefühle des anderen annimmt. Jeder Seelsorger, jeder Mensch, will einen anderen, der etwas durchmacht, trösten. Nur da sagt die Psychologie, dass bei innerem Schmerz ein Trost durch Abmindern dieser Sorge (Das schaffst du schon, der liebe Gott ist bei dir, andere haben das auch geschafft und du wirst sehen, alles wird wieder gut) nicht erreicht wird. Das ist belegt! Es ist auch nicht gut, Gefühle herabzumildern oder gut gemeinte Ratschläge zu geben. Wir müssen erst durch das tiefe Tal der Angst, der Sorge, der Verzweiflung hindurch. Erst dann kann man helfen! Wenn jemand sagt:
Ich will leben, ich will kämpfen, dann kann man loslegen mit allen Ratschlägen und Empfehlungen, die es gibt. Das Tal muss gemeinsam durchschritten werden, erst dann ist die Bereitschaft da, einen Ratschlag anzunehmen.
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Erstmals offen über Konflikte sprechen
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naktuell.de: Sie haben neben regulären Schulungen zum Thema „Konfliktlösung“ auch Seminare mit neuapostolischem Hintergrund durchgeführt. Was ist bei einem Seminar, das sich speziell an neuapostolische Christen wendet, anders als bei anderen Seminaren?
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R. Ballnus: „Im Prinzip nichts. Das einzige, was sich unterscheidet, sind die Konfliktinhalte. In einigen Seminaren haben wir mit Gebet begonnen und aufgehört. Das war eine Besonderheit. Nach einem ersten Antasten, sich kennen lernen und Vertrauen herstellen, haben wir viel gelacht, aber auch geweint. Als Trainer muss man sich einbringen, man öffnet sich auch für andere. Auch in Kursen außerhalb unserer Kirche erlebe ich diese offene Atmosphäre, dass man auf Themen kommt, die sehr anrühren. Insofern gibt es kaum einen Unterschied.
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Nur die Themenpalette war anders. Das heikle ist gewesen, dass man in diesem Kreis offen darüber sprach, wie ich mit dem Verhalten meines Vorstehers, meines Dirigenten, meines Nachbarn aus dem Geschwisterkreis, mit dem Bischof oder dem Apostel zurechtkomme, wie ich ihn wahrnehme und was mich bedrückt. Dass man darüber sprechen kann, war für neuapostolische Christen eine Besonderheit – aber dennoch wertschätzend und darauf haben wir alle geachtet. Wir haben uns Regeln gesetzt. Wenn einer die Wertschätzung verlässt, dann sollten wir ihn darauf aufmerksam machen. Es ist nie erfolgt.
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„Was gesagt wird, darfst du nicht antasten“
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naktuell.de: Wie kann man sich den Ablauf eines solchen Seminar vorstellen, welche Themen wurden konkret behandelt?
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R. Ballnus: „Im Vorfeld bekamen die Teilnehmer einen Fragebogen, den ich auswerte. Dann gab es Antworten, dass Geschwister sagten: Ich habe Konflikte im Umgang mit meinen Seelsorgen, mit den Amtsträgern. Und je höher das Amt ist, desto unmöglicher wird es mir, Konflikte anzusprechen, weil ich ja gelernt habe: Was dort gesagt wird, hat Gewicht und das darfst du nicht antasten. So bin ich erzogen worden und das macht mir Schwierigkeiten. Auf der anderen Seite merke ich einen Groll in mir, ich merke dass meine Fröhlichkeit schwindet. – So haben wir uns dann an die einzelnen Themen herangetastet.
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Da sind länderübergreifend immer die gleichen Probleme: Der Orgelspieler, der sich nichts sagen lässt; der Dirigent, der glaubt besonders wichtig zu sein; der Vorsteher, der niemanden beteiligt im Amtsbrüderkreis, wenn etwas geregelt wird und der nicht abgeben kann. Es kamen aber auch sehr verletzende Dinge zum Vorschein, wo wirklich die Menschenfreundlichkeit gelitten hat. Und das wiederum ist nichts besonderes – denn, wer so erzogen ist und wo sich etwas aufstaut, bei dem kommt es irgendwann zum Platzen. Dann verliert man Kontrolle über seinen Verstand, dann wird es ein typisches Bauchgespräch und das kann weh tun.
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Wir haben uns auch Zeit genommen zu schauen, wie bin ich selbst eigentlich veranlagt, wie gehe ich von Haus aus mit Konflikten um. Schließlich haben wir uns die Werkzeuge angeschaut und Situationen in Rollenspielen geübt. So haben wir jedes Amt und jede Funktion einfach mal beleuchtet.
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„Wir haben es alle mit ausgehalten“
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naktuell.de: Sie erwähnten, dass es bei Seminaren mit Glaubensgeschwistern auch zu sehr emotionalen Momenten gekommen sei. Wie haben Sie diese „Bauchgespräche“ dem Thema „Konfliktlösung“ entsprechend behandelt?
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R. Ballnus: „Es macht gar nichts, wenn ein zweiter oder dritter auch noch mitweint.
Wir haben es einfach alle mit ausgehalten! Es war zum Beispiel so, dass wir mit einem Teilnehmer, der im beruflichen Bereich gemobbt worden ist, ein Rollenspiel gemacht haben. Dann haben wir ihm durch unsere gemeinsame Arbeit eine Strategie gegeben. Ich habe den Chef gespielt und dieser Teilnehmer hat sich wunderbar verhalten. Bei dem Seminar war auch ein Amtsbruder dabei, der diesen Teilnehmer über längere Zeit seelsorgerisch betreut hatte. Der Amtsbruder griff das dann auf und hat auch geweint, weil die beiden schon viele Stunden zusammen verbracht hatten, wo sie völlig hilflos waren. Solch schöne Dinge sind da passiert, da weint man dann einfach mit.
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Wir hatten bereits vorher abgesprochen, ob wir das vorbereitete Programm wirklich durcharbeiten und zu einem bestimmten Ziel kommen wollen, oder wir uns einfach
von den Gesprächen und der Intensität mancher Themen leiten lassen. So sind wir
bei einigen Themen stehen geblieben und kamen natürlich nicht zu dem Abschluss, den ich mir eigentlich vorgestellt hatte. Dann wurde der Wunsch nach weiteren Seminaren laut. Das hat mir persönlich viel Kraft gegeben, weil ich gemerkt habe, die Geschwister wollen das, die sind am Thema dran und neugierig. Es war einfach eine wohltuende Atmosphäre und eine schöne Gemeinschaft.
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„Man kann nur sich selbst beleuchten“
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naktuell.de: Wie war das Feedback der Teilnehmer, welche Rückmeldungen haben Sie im Nachgang erhalten?
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R. Ballnus: „Wenn ich ehrlich sein soll, dann klingt das vielleicht angeberisch. Die Teilnehmer waren voll des Lobes, sie waren angetan, dass es möglich wurde, einmal offen aber auch wertschätzend über Konflikte zu sprechen. Es wurde nicht darüber hergezogen, was man in manchen Runden ja auch erlebt, sondern konkret an einem Fall gearbeitet und gefragt: Welche Anteile habe ich? Was kann ich tun, damit es beim nächsten Mal diesen Konflikt nicht mehr gibt oder nicht in dieser Ausprägung.
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Man kann ja nur sich selbst beleuchten. Sich selbst auf den Prüfstand zu stellen, schafft die Möglichkeit, im Umgang mit anderen für Wertschätzung zu sorgen. Meine Werkzeuge, meine innere Einstellung und soziale Kompetenz, können dafür sorgen, dass sich der andere schließlich auch verstanden und ernstgenommen fühlt und es viel weniger nur Eindrücke gibt in der Kommunikation.
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Trotz aller Wertschätzung gegenüber den Werkzeugen, die die Psychologie heute bietet, ist eines klar: Es gibt keine Patentrezepte! Ich kann mir viel Mühe geben und mich wertschätzend verhalten und erreiche den anderen trotzdem nicht. Das ist möglich. Wir kommunizieren ja nicht mit Automaten sondern mit Menschen. Aber diese Werkzeuge sind gute Wegweiser. Jeder Teilnehmer ist gehalten, an sich zu arbeiten. Immer wenn es eine schwierige Situation gibt, kann er sich daran erinnern und die Werkzeuge einsetzen. Dann hat er gute Aussichten, etwas regeln zu können, ohne dass die Beziehung zu dem anderen darunter leidet.
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naktuell.de: Werden Sie weitere Seminare im neuapostolischen Umfeld durchführen?
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R. Ballnus: „Das würde ich sehr gerne tun. Ich werde demnächst als Beamter in den Ruhestand treten. Ich habe meinem Bezirksapostel gesagt: Ich würde alles andere
aufgeben – ich gebe ja auch Seminare in der freien Wirtschaft – und zu Gunsten der neuapostolischen Welt einfach mitgestalten wollen. Weil ich erlebt habe, was das für eine wunderbare Arbeit ist, hätte ich auch wirklich Lust dazu.
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Auf dem Boden der Realität
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naktuell.de: Der neuapostolische Leser Ihrer Bücher wird unschwer eine Reihe von Parallelen zu eigenen Erfahrungen erkennen, die er auf das kirchliche Leben übertragen kann. Können Sie sich vorstellen, einmal ein Buch zu schreiben, dass sich speziell an neuapostolische Leser wendet, das Themen wie Kommunikation, Konfliktbewältigung und Seelsorge aus neuapostolischen Erfahrungswelten heraus reflektiert und praktische Lebenshilfe vermittelt?
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R. Ballnus: „Das kann ich mir sehr gut vorstellen, weil ich das sogar schon einmal getan habe. Eigentlich wollte ich nur für die neuapostolische Welt schreiben. Das geschah aus der Intention in Anlehnung an das Konzept Dienen und Führen. Von dem Buch Konflikte regeln mit Kopf und Herz gibt es ein vollständiges Manuskript in einer neuapostolischen Version. Ich habe es dem Friedrich Bischoff Verlag angeboten und auch erlebt, dass die Inhalte akzeptiert wurden. Ich habe es sogar schriftlich, dass man interessiert war, das Buch zu verlegen. Die Endabstimmung der Verantwortlichen hat dann aber dazu geführt, dass Ratgeber diesen Stils noch nicht in das Verlagsprogramm hineingehören. Das Wort noch habe ich immer noch im Ohr.
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In diesem Buch habe ich ausschließlich neuapostolische Beispiele gebracht. Ich habe das Manuskript von vielen Neuapostolischen prüfen lassen, alt und jung, Männer und Frauen, Amtsträger und Nicht-Amtsträger, die mir bestätigt haben, dass sich die Schilderungen auf dem Boden der Realität bewegen. Das Buch unterscheidet sich in den Schlussfolgerungen nicht von den anderen Büchern. Aber ich glaube, dass der neuapostolische Leser sich gerne wiederfinden möchte in Konfliktsituationen oder in Seelennot, die er selbst erlebt hat, im Umgang mit Seelsorgern und Geschwistern.
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Nicht in die „neuapostolische Kultur“ passend
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naktuell.de: Weshalb wurde das Manuskript vom kircheneigenen Verlag letztlich doch nicht veröffentlicht? Wie lautete die Argumentation? 
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R. Ballnus: „Der Verlag hat das Buch gelesen und geprüft. Es wurde als tauglich und lesenswert befunden. Man bat mich, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe abzuwarten,
um sicherzustellen, dass es zu keinen inhaltlichen Überschneidungen kommt. Man erwartete ein Jahr später einen erneuten Kontakt. Dann kam die Nachricht: Wir sind grundsätzlich interessiert an der Verlegung des Buches, aber es müsse noch zu einer Feinabstimmung kommen. Das geschah einen Monat später. Das Ergebnis hat mich persönlich etwas irritiert, weil zum Ausdruck gebracht wurde, dass Ratgeber dieses Inhalts nicht geeignet seien, verlegt zu werden, weil sie nicht in die neuapostolische Kultur des Verlages passen. Ich war deshalb irritiert, weil der Verlag das bereits ein Jahr zuvor wusste und interessiert war. Die Erklärung war für mich nicht schlüssig. Ich sprach dann mit einem verantwortlichen Mitarbeiter, der mir sagte: Bruder Ballnus, das kann in zwei, drei Jahren ganz anders aussehen.
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Nun denke ich daran, andere Wege zu gehen. Die ersten beiden Bücher habe ich bei einem kleinen Verlag, dessen Besitzer auch neuapostolisch ist, herausgegeben. Dieser Weg wäre auch für die neuapostolische Version möglich. Es muss natürlich eine gewisse Marktchance bestehen. Ich muss nicht davon leben, aber dieser kleine Verlag. Ich persönlich glaube, dass viele neuapostolische Christen, auch Amtsträger, daran interessiert sind, für sich etwas zu erlernen, über Sorgen und Nöte zu sprechen und damit umzugehen. Das ist etwas, was der neuapostolischen Welt gut tut. Wenn ich einen Beitrag dazu leisten kann, tue ich das gerne.
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naktuell.de: Vielen Dank für das Gespräch!
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Im Vorbericht zu diesem Interview finden sich nähere Angaben zu den Büchern und
Seminaren von Rainer Ballnus. Die beiden Ratgeber „Konflikte regeln mit Kopf und Herz“
und „Wenn die Seele weint“ sind im Buchhandel erhältlich.
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Das Gespräch führte: Christian Puffe, Stand: 24.01.2004
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Literatur
Rainer Ballnus: „Konflikte regeln mit Kopf und Herz“,
Verlag Nordenmedia, Dezember 2002, 160 Seiten, ISBN 3-935347-14-6, Preis: 12,50 Euro.
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Rainer Ballnus: „Wenn die Seele weint ...“,
Verlag Nordenmedia, März 2003, 177 Seiten, ISBN 3-935347-15-4, Preis: 13,50 Euro.
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