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12.02.2003
"Der Weg der Anpassung war ein Überlebensweg"
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Um für naktuell.de von der Akademietagung "Rückkehr zur völkischen Religion? - Glaube und Nation im Nationalsozialismus" zu berichten, machte sich Redakteur und Mitarbeiter Jens Joachim auf den Weg nach Rüdesheim am Rhein. Am 1. Februar 2003 hielt Bezirksevangelist Peter Johanning, der Medienreferent der Neuapostolischen Kirche International, im Rahmen der Tagung einen Vortrag unter dem Titel "Alte und neue Zeit - Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Neuapostolischen Kirche".
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Zur Vorgeschichte
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Bereits im Frühjahr 2001 führte das Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt/Main einen Studientag zum Thema "Verfolgung - Widerstand - Anpassung" durch, zu dem auch die NAK eingeladen worden war. Bezirksapostel Hagen Wend sprach sich jedoch gegen eine Teilnahme aus. Seine Begründung lautete seinerzeit: "Leider kann unsere Religionsgemeinschaft (...) zur Thematik gegenwärtig nichts Konkretes beitragen. Wir haben erst vor einiger Zeit damit begonnen, unsere Vergangenheit, insbesondere in der NS-Zeit, zu analysieren und aufzuarbeiten. Bis zur lokalen Ebene sind wir aber bei unseren Untersuchungen noch nicht gekommen. Unsere auf die Gesamtkirche bezogenen Zwischenergebnisse zeigen zudem, dass es zwar manche Einzelperson gegeben hat die (überwiegend passiv) Widerstand geleistet hat. Zum anderen wird aber auch deutlich, dass unsere Kirche insgesamt relativ angepasst und unkritisch mit dem NS-Regime umgegangen ist."
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Im Frühjahr 2002 folgte dann die Einladung zur Teilnahme an einer weiteren Studientagung, die der Bezirksapostel dann ausdrücklich unterstützte. Die für Ende Mai 2002 geplante Tagung mußte jedoch mangels Interesse abgesagt und auf das erste Februar-Wochenende 2003 verschoben werden.
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Auf nach Rüdesheim
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Der Weg zur Tagungsstätte "Haus Nothgottes" führt zunächst steil nach oben - an verschneiten Weinbergen und der weithin sichtbaren Abtei St. Hildegard vorbei und schließlich auf einem schmalen Weg durch einen Wald. Hier, in den Wäldern rings um das ehemalige Kloster, das das katholische Bistum Limburg jetzt als Bildungseinrichtung nutzt, hatten sich im 14. Jahrhundert Menschen Notwohnstätten errichtet, um sich vor der Pest in Sicherheit zu bringen.
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Sieben Jahrhunderte später diskutierten am ersten Februar-Wochenende auf Einladung des Frankfurter Instituts für Stadtgeschichte im "Haus Nothgottes" rund 30 Tagungsteilnehmer - darunter Vertreter verschiedener Kirchen, Wissenschaftler sowie interessierte Christen - über das Verhalten der christlichen Kirchen und  Weltanschauungsgemeinschaften während der Zeit des Nationalsozialismus - der braunen Pest des 20. Jahrhunderts. Die Tagung fand in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Arnoldshain, der Katholischen Akademie Rabanus Maurus sowie den Referenten für Weltanschauungsfragen der evangelischen und katholischen Kirchen statt.
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"Konservativ und kaisertreu"
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In der gebotenen Kürze skizzierte NAKI-Medienreferent Peter Johanning in seinem rund dreißigminütigen Vortrag die Entwicklungsgeschichte der Kirche während des Kaiserreichs und der nationalsozialistischen Diktatur. Die Trennung von der katholisch-apostolischen Kirche, die allmähliche Änderung der sozialen Herkunft der Gläubigen sowie das Entstehen eigener Umgangsformen innerhalb der damals noch jungen Kirche bezeichnete er als "Paradigmenwechsel". Die Stammapostel Fritz Krebs und Hermann Niehaus sowie das damalige Nationalbild der Kirche charakterisierte er als "konservativ, regierungs- und kaisertreu".
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Für "Führer, Volk und Vaterland"
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Während der Amtszeit von Stammapostel Johann Gottfried Bischoff habe sich dann, wenngleich aus anderen Motiven, "das alte Denken über Führer, Volk und Vaterland fortgesetzt". In Anlehnung an die Anfang 1996 in der Kirchenzeitschrift "Unsere Familie" (Nr. 2/1996) veröffentlichte offizielle Stellungnahme der Kirche lautete sein Fazit: "In diesen Zeiten, in denen es zeitweise Schließungen von Gemeinden oder die Verhaftung und Überwachung von Mitgliedern gab sowie die religiöse Betätigung insgesamt aufs Äußerste gefährdet war, hat sich Stammapostel Bischoff für den Weg der Anpassung, der ein Überlebensweg wurde, entschieden - aus lauteren Motiven." Die Neuapostolische Kirche sei, so Johanning, in jenen Jahren "keine Staatskirche, kein Politikum" gewesen. "Sie war deutsch, aber nicht antisemitisch, sie war national, aber nicht nationalistisch, sie war fundamental, aber nicht fundamentalistisch."
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"Ermutigend" und "verheißungsvoll"
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In der anschließenden Diskussionsrunde, bei der unglücklicherweise auch noch zwei andere Referate über Freireligiöse und die Orthodoxe Kirche debattiert wurden, sagte der Medienreferent auf eine entsprechende Nachfrage, es habe innerkirchlich bislang keine breite öffentliche Diskussion über das Verhältnis der Kirche zum nationalsozialistischen Staat gegeben. 
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Vertreter der evangelischen und katholischen Kirchen bezeichneten es geradezu euphorisch als ein "ermutigendes und positives Zeichen" und "verheißungsvolles Signal", dass sich die Neuapostolische Kirche der öffentlichen Diskussion stelle und die lange Zeit praktizierte Zurückgezogenheit mehr und mehr aufgebe. Einwände gab es jedoch zum Theokratiebegriff. Der Weltanschauungsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Pfarrer Dr. Fritz Huth sprach in diesem Zusammenhang etwa von der "nahezu untastbaren und unhinterfragbaren Autorität des Stammapostels". Bezirksevangelist Johanning bekräftigte die Absicht der Kirche, sich auch künftig dem gesellschaftlichen Dialog zu stellen und sich gegenüber den anderen Kirchen zu öffnen. Die Frage, ob sich die NAK weiterhin dem Gedanken der Ökumene öffnen werde, beantwortete er mit einem entschiedenen "Ja".
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Nach den Referaten bot sich die "Mönchsklause", ein geräumiger Kellerraum des ehemaligen Klosters, mit seinem gut mit Bistumswein bestückten Kühlschrank zu ausführlicheren Gesprächen an, ehe es auf dem schmalen Weg durch den Wald und an den verschneiten Weinbergen vorbei wieder hinab in Richtung Tal auf die Heimreise ging. 
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Jens Joachim, 12.02.2003
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Lesen Sie weiter:
Ausführungen zur Geschichte der NAK
naktuell.de Artikel vom 09.12.2002
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Bilder zum Thema
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Visuelle Eindrücke von der Vortragsveranstaltung
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Bilderserie von der
Veranstaltung
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Hintergrund
Wortlaut des Vortrags
"Alte und neue Zeit - Ein Beitrag zur Entwicklungs- geschichte der Neuapostolischen Kirche"
nak.de/.....(PDF-Datei)
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Links zum Thema
"Suspekt, weil unpolitisch" - Artikel von Jens Joachim (naktuell.de), veröffentlicht auf nak.de
nak.de/news/...
"Jesus im Kaiser - Deutschland überragt die Welt" - Dokumentation von Artikeln aus der "Neuapostolischen Rundschau" von 1914 
glaubenskultur.de/...
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Literatur
Michael König/Jürgen Marschall, "Die Neuapostolische Kirche in der NS-Zeit und die Auswirkungen bis zur Gegenwart", Feldafing, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage Mai 1994
Andreas Fincke, "Die Neuapostolische Kirche
im Umbruch. Zwischen Aufbruch und Reformstau", EZW-Text Nr. 146,
Berlin 1999
Helmut Obst, "Die Neuapo- stolische Kirche - die exklusive Endzeitkirche?", Neunkirchen-Vluyn 1996, Taschenbuch, S. 45-56
Helmut Obst, "Apostel und Propheten der Neuzeit", Göttingen 2000, erweiterte Auflage, S. 115-122: "Der Kirche feind - dem Kaiser treu"
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