06.08.2002 |
Stillstand in der Frage der Ökumene |
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Im Jahr 1998 sprach Stammapostel Richard Fehr erstmals von der Möglichkeit
einer ökumenischen Öffnung der Neuapostolischen Kirche. Genau
genommen geht es um
die Frage, wie die NAK ihr Verhältnis zu den anderen Kirchen
in Zukunft gestaltet. |
Im Oktober 1999 wurde die Projektgruppe "Ökumene" ins Leben gerufen.
Einem Artikel der Kirchenzeitschrift "Unsere Familie" (09/2001) zufolge
hat sie die Aufgabe, "zu prüfen, inwieweit heute auf der Basis der
'versöhnten Verschiedenheit' und unter Wahrung ihrer Identität
eine Mitwirkung der Neuapostolischen Kirche in der Ökumene möglich
ist." |
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Mangelnder Informationsfluss |
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In dem 1999 veröffentlichten Dokumentarfilm "Lebendig wie das
Christentum vor 2000 Jahren" erklärte Stammapostel Fehr: "Wir sind
nicht Mitglied der Ökumene, aber ich mache mir ernsthaft Gedanken
darüber und habe extra eine Projektgruppe gegründet, die mir
Vorschläge ausarbeiten soll: Wie sieht die Zukunft aus, gehen wir
in Richtung Ökumene oder nicht?" Seine eigene Haltung stellt er eindeutig
dar, indem er klar Position bezieht: "Ich tendiere für eine Öffnung
der Kirche!" |
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Diese und weitere Aussagen ließen darauf deuten, dass in absehbarer
Zeit Bewegung in die Frage der Ökumene kommt. Inzwischen sind mehrere
Jahre vergangen und es verstärkt sich der Eindruck, dass die Informationspolitik
der Kirche auch in diesem Punkt einmal mehr zu wünschen übrig
läßt. Bisweilen bleibt dem einfachen Mitglied nur der Eindruck,
dass die Kirchenleitung in den letzten Jahren verstärkt über
ihr Verhältnis zu anderen christlichen Konfessionen nachgedacht hat.
Ausbleibende Stellungnahmen über den Entscheidungsprozeß bieten
unterdessen den Nährboden für allerlei Mutmaßungen. |
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In der Frage der Ökumene entwickeln sich bei konservativen und
progressiven Kräften innerhalb der Kirche stark gegensätzliche
Positionen. Das Spektrum der Meinungen
und Ansichten geht weit auseinander und reicht von euphorischem Aktionismus
bis hin zur völligen Ablehnung ökumenischer Ambitionen. Es liegt
auf der Hand, dass ein mangelnder Informationsfluss dieser Entwicklung
Vorschub leistet. Gerade durch eine verstärkte Aufklärung über
die Absichten der Kirche und den Sinn und Zweck ökumenischer Bestrebungen
könnte den vorhandenen Unsicherheiten auf beiden Seiten entgegengewirkt
werden. |
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Ökumene in engen Grenzen |
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Aus offiziellen Verlautbarungen der Neuapostolischen Kirche geht hervor,
daß die Kirchenleitung ökumenische Kontakte zwar befürwortet,
zugleich jedoch klare Grenzen dafür setzt. In einem Positionspapier
des Stammapostels vom Juli 2001 wurde ein vorläufig verbindlicher
Rahmen abgesteckt. |
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Unter ökumenischen Veranstaltungen versteht die NAK solche Aktivitäten,
die Kirchen und christliche Religionsgemeinschaften gemeinsam durchführen.
Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen in wesentlichen Lehraussagen, in
denen die NAK nicht mit anderen Kirchen übereinstimmt, wird die Beteiligung
an gemeinsamen Gottesdiensten, Sakraments- und Segenshandlungen weiterhin
abgelehnt. Bei besonderen Gemeindeanlässen, z.B. bei Einweihungen
oder Jubiläen, ist nach Beendigung des Gottesdienstes ein Grußwort
möglich, jedoch nicht im Rahmen der Liturgie und nicht als Predigtbeitrag.
Über offizielle Beteiligungen an sonstigen ökumenischen Veranstaltungen
auf lokaler Ebene sollen die jeweiligen Bezirksapostel entscheiden. |
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Informeller Austausch |
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Apostel Volker Kühnle, Leiter der NAK-Projektgruppe "Ökumene",
stellte im Mai 2001 auf einer Tagung der Evangelischen Zentralstelle für
Weltanschauungsfragen (EZW) die gegenwärtige Situation aus seiner
Sicht vor. Dabei wies er vor allem auf einige in den letzten Jahren erfolgte
Änderungen in der Lehre der Kirche und dem Amtsverständnis des
Stammapostels hin. Der Stammapostel bezeichnet sich demnach nicht mehr
als sichtbares Haupt der Kirche, sondern nimmt lediglich im Apostolat den
ersten Platz ein und ist insofern höchste Autorität in Glaubensfragen. |
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Im Februar 2002 berichtete die evangelische Nachrichtenagentur Idea
über offizielle Kontakte zwischen der NAK und anderen Kirchen. Informelle
Gespräche gibt es vor allem mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher
Kirchen (ACK) in Baden-Württemberg. Die NAK habe aber bisher noch
keinen Antrag auf Gastmitgliedschaft gestellt. Einen Hinweis auf den Stand
der Gespräche gibt ACK-Geschäftsführer Johannes Ehmann,
indem er feststellt, dass ein Antrag auf Gastmitgliedschaft der NAK „in
der jetzigen Situation nicht zustimmungsfähig" wäre. |
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Zudem wurde EZW-Mitarbeiter Dr. Andreas Fincke zitiert. Er stellt gleichwohl
Anzeichen für eine vorsichtige Öffnung der Neuapostolischen Kirche
fest. "Man diskutiere über den Anspruch, die einzige wahre Kirche
Jesu Christi zu sein", so der Eindruck des Experten für sogenannte
"christliche Sondergemeinschaften". In diese Kategorie fällt laut
Einschätzung der EZW auch die Neuapostolische Kirche. |
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Auf Anfrage der baptistischen Zeitschrift "Die Gemeinde" bezeichnete
Fincke es als "erfreulich", dass die NAK ihre frühere Position der
Abgrenzung aufgegeben habe. Er warnte jedoch vor übertriebenen Erwartungen.
Wegen des exklusiven Selbstverständnisses der Kirche und der "nach
wie vor unumstrittenen" Position des Stammapostels als "Repräsentant
des Herrn auf Erden" würde, seiner Auffassung nach, jede ökumenische
Öffnung die neuapostolischen Gemeinden in eine "Zerreißprobe"
führen. Fincke rechnet damit, dass der Prozess der Annäherung
der Neuapostolischen Kirche an die ACK in Deutschland noch rund 20 Jahre
dauern werde. |
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[cpu] 06.08.2002 |