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Heute ist  .
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28.06.2003
Erste Auferstehung auch für Unversiegelte
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Der zentrale Pfingstgottesdienst des Stammapostels hat für viele neuapostolische Christen einen hohen Stellenwert. Stammapostel Richard Fehr nutzte diesen besonderen Rahmen in diesem Jahr erstmals, um eine Änderung der kirchlichen Lehraussagen bekannt zu geben. Die Änderung betrifft die Auslegung der Johannes-Offenbarung, das letzte Buch der Bibel und einzigste prophetische Schrift des Neuen Testaments.
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Mit ihrer reichen Bildersprache ist die Offenbarung faszinierend und schwer verständlich zugleich. Damit hängt es wohl zusammen, dass sie Gegenstand zahlreicher verschiedener Deutungen ist. Etliche Vorstellungen der Volksfrömmigkeit haben hier ihren Ursprung, so die Annahme eines Fegefeuers oder die Zahlensymbolik der Apokalypse. Eschatologisch ausgerichtete Bibel-Auslegungen gehen davon aus, dass die Offenbarung ein "Fahrplan" für die Ereignisse am Ende der Zeit sei. Andere Interpretationen wiederum sehen in ihr vor allem eine "Durchhalteschrift" für Christen in der Verfolgung.
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"Eine Erweiterung der Lehraussagen"
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Die Offenbarung hat eine enorme Bedeutung für die endzeitliche Ausrichtung der Lehre der Neuapostolischen Kirche. Besonders mit dem Wort aus Offenbarung 20, Vers 6, verbinden Generationen neuapostolischer Christen die Erfüllung ihres Glaubens, die Teilhabe am so genannten "Tag der Ersten Auferstehung". Dieser Begriff wurde zum vielfach verwendeten Schlagwort in Predigten und entwickelte mit der Zeit gewissermaßen ein Eigenleben. Der allgemeine Kontext und die Tatsache, dass der Begriff nur ein einziges Mal in der Bibel vorkommt, fanden hingegen kaum Beachtung. Diesem Umstand wollte Stammapostel Fehr offenbar entgegenwirken, indem er nun eine "Erweiterung der Lehraussagen" bekannt gab. Im Kern seiner Erklärung räumte er ein, dass neben der Brautgemeinde auch weitere Seelen in den Vorgang der "Ersten Auferstehung" mit einbezogen seien. Dazu zählen, so der Stammapostel, die Märtyrer, die sich "nach der Heimholung der Braut während der Zeit der großen Trübsal zu Christus bekannt haben und deshalb getötet wurden." [01]
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Mit anderen Worten: Auch nicht-versiegelten Seelen, die das Sakrament der Heiligen Versiegelung in der Neuapostolischen Kirche nicht empfangen haben, wird nunmehr zugestanden, am Glaubensziel neuapostolischer Christen teilzuhaben. Im Pfingstgottesdienst am 8. Juni 2003 stellte der Stammapostel klar: "Das Kommen Christi zur Heimholung seiner Braut ist und bleibt unser Glaubensziel. Lediglich der Begriff 'Erste Auferstehung' wird ab heute etwas ausgeweitet, weil nämlich zwei Gruppen daran teilnehmen. Wer es nicht glaubt, lese bitte in aller Ruhe die Verse 4 und 5 aus Offenbarung 20." [01]
Er kündigte an, ein vertiefender Artikel zu dieser Sache werde demnächst in der Kirchenzeitschrift "Unsere Familie" erscheinen. Der Wortlaut der Erklärung aus dem Pfingstgottesdienst des Stammapostels kann in einer ausführlichen Dokumentation auf naktuell.de nachgelesen werden.
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Heils-Exklusivität bröckelt
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Mit dem indirekten Eingeständnis, dass auch nicht-versiegelte Seelen zum Heil "erster Klasse" gelangen können, rückt die NAK einmal mehr von früheren Standpunkten ab. Das bisher stark betonte exklusive Selbstverständnis der Kirchenlehre wird immer mehr zur Makulatur.
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In einem Interview mit naktuell.de erwähnte Dr. Johannes Ehmann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Baden-Württemberg, dass in den Gesprächen zwischen ACK und Neuapostolischer Kirche Süddeutschland auch die Frage nach dem Alleinvertretungsanspruch der neuapostolischen Apostel angesprochen worden sei, ebenso die Frage, wer ins Reich Gottes kommt und wer nicht. Dr. Ehmann: "Da ist uns sehr schnell zugestanden worden, dass das alles schwierige Fragen sind, von denen die NAK selber weiß, dass sie einer Aufarbeitung bedürfen." Bereits im 1998 stellte Stammapostel Richard Fehr am Rande des Jugendtages der Gebietskirche Baden-Württemberg fest, dass das heimholende Wiederkommen Jesu eine souveräne Entscheidung Gottes sei, ebenso die Entscheidung, wer letztlich dabei sein werde.
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Dabei oder nicht dabei?
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In Abweichung zu der gerade veränderten Lehrauffassung der Neuapostolischen Kirche ist in Offenbarung 20, Vers 4 (Luther-Bibel 1984), abgesehen von den Märtyern, nicht (nur) von der Brautgemeinde die Rede, sondern von all jenen Seelen, die "nicht angebetet hatten das Tier und sein Bild und die sein Zeichen nicht angenommen hatten an ihre Stirn und auf ihre Hand" [Offb. 20, 4]. Bezogen auf das Geschehen der Wiederkunft Christi ergibt sich hieraus ein deutlich ökumenischer Ansatz, entgegen der in zurückliegender Zeit von der Neuapostolischen Kirche vertretenen Ansicht, dass nur die toten und lebenden "Brautseelen" an der "Ersten Auferstehung" teilnehmen.
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In der derzeit gültigen Ausgabe der Broschüre "Fragen und Antworten über den neuapostolischen Glauben" von 1992 heißt es in Antwort 254 folglich: "Die Erste Auferstehung ist gleichbedeutend mit der Wiederkunft Christi. Bei diesem Ereignis erscheint der Herr als Bräutigam, um die Seinen, die für sein Kommen bereit sind, zur Hochzeit zu führen. (...) Bei der Wiederkunft des Herrn werden zuerst die Toten in Christo auferstehen. Danach werden die lebenden Brautseelen das Wunder der Verwandlung erleben. Beide Gruppen empfangen den Leib der Verklärung und werden zugleich entrückt in den Wolken, dem Herrn entgegen."
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Die Auffassung, dass entgegen bisheriger Lesart ein deutlich größerer Kreis an der "Ersten Auferstehung" teilhaben könne,
ist auch in neuapostolischen Kreisen nicht ganz neu. Friedrich Wilhelm Schwartz, der wohl herausragendste Apostel der neuapostolischen Bewegung in der Periode zwischen 1863 und 1895, hielt es für "wahrscheinlich, dass die Gläubigen des alten Testaments, die auf das Kommen des Messias gehofft haben, und die Gläubigen des neuen Testaments, die auf die Wiederkunft des Herrn gehofft, aber das Zeugnis der letzten Apostel nicht empfangen haben, dass diese alle teilhaben an dieser ersten Auferstehung und die Berufenen und Getreuen sind, die (...) zu Tische sitzen bei dem Abendmahl der Hochzeit des Lammes." [02]  In seinen Betrachtungen aus dem Jahr 1872 bezog Apostel Schwartz die (nun wiederentdeckten) Märtyrer bereits in dieses Geschehen mit ein.
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Andere Bibel-Übersetzungen
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Um die Aussagen der Bibel besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick in verschiedene Übersetzungen. Die Gute-Nachricht-Bibel von 1997 gibt, anders als die in der Neuapostolischen Kirche übliche Luther-Bibel von 1984, die Worte der Heiligen Schrift in einem leicht verständlichen Deutsch wieder.
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Der Abschnitt aus Offenbarung 20, 4-6 lautet in dieser Übersetzung: "Dann sah ich Thronsessel. Denen, die darauf Platz nahmen, wurde die Vollmacht erteilt, Gericht zu halten. Weiter sah ich die Seelen der Menschen, die enthauptet worden waren, weil sie an der Botschaft Gottes festhielten, an all dem, wofür Jesus als Zeuge einsteht. Ich sah auch die Seelen der Menschen, die weder das Tier noch sein Standbild angebetet hatten und auch nicht das Kennzeichen des Tieres auf ihrer Stirn oder ihrer Hand trugen. Sie alle wurden wieder lebendig und herrschten zusammen mit Christus tausend Jahre lang. Die übrigen Toten wurden noch nicht wieder lebendig; das wird erst geschehen, wenn die tausend Jahre um sind. Dies ist die erste Auferstehung. Freuen dürfen sich die Auserwählten, die an der ersten Auferstehung teilhaben. Der zweite Tod, der endgültige, kann ihnen nichts anhaben. Sie werden Gott und Christus als Priester dienen und tausend Jahre lang mit Christus herrschen." [03]
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Die revidierte Elberfelder-Bibel von 1992, die sich durch ihre Nähe zum Quelltext auszeichnet, übersetzt Offenbarung 20, Verse 4-6, wie folgt: "Und ich sah Throne, und sie setzten sich darauf, und das Gericht wurde ihnen übergeben; und ich sah die Seelen derer, die um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen enthauptet worden waren, und die, welche das Tier und sein Bild nicht angebetet und das Malzeichen nicht an ihre Stirn und an ihre Hand angenommen hatten, und sie wurden lebendig und herrschten mit dem Christus tausend Jahre. Die übrigen der Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren. Dies ist die erste Auferstehung. Glückselig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung! Über diese hat der zweite Tod keine Macht, sondern sie werden Priester Gottes und des Christus sein und mit ihm herrschen die tausend Jahre." [04]
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Lesen Sie weiter:
Pfingsten 2003: Gottesdienst in Dortmund
Bericht über den Pfingstgottesdienst des Stammapostels
mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Predigt-Inhalte
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Christian Puffe, 28.06.2003
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[01] - Erklärung des Stammapostels im Rahmen des Pfingstgottesdienstes
am 8. Juni 2003 in Dortmund-Nord. Vollständiger Wortlaut: naktuell.de
[02] - Zitat aus: "Das Buch für unsere Zeit", Friedrich W. Schwartz, Band 2,
1872. Quelle: glaubenskultur.de
[03] - Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung 1997 der "Bibel in heutigem Deutsch", Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
[04] - Revidierte Elberfelder Bibel, 1985/1992, R. Brockhaus Verlag, Haan
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Bild zum Thema
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Offenbarung 20 Vers 6: Inschrift auf dem Grabstein des Stammapostels Johann Gottfried Bischoff
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Link zum Thema
"Unversiegelte werden auch Priester Gottes" - Glaubenskultur-Artikel
vom 28. Juni 2003
glaubenskultur.de/...
"Neuapostolische Kirche erweitert offizielle Lehraussage zur Ersten Auferstehung" - Mitteilung der NAK International
vom 11. Juni 2003
nak.org/news/...
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Zur Person
Apostel Friedrich Wilhelm Schwartz (1815-1895) [Bild] war eine der Schlüssel- figuren bei der Trennung
der Hamburger Gemeinde von der katholisch- apostolischen Bewegung. Seine Aussendung in die Niederlande und die von dort ausgehenden Rückwirkungen in den deutschen Raum wurden nach dem Tode des Hamburger Apostels Preuß im Jahre 1878 von fundamentaler Bedeutung für den weiteren Gang der Dinge. Schwartz ist der herausragendste Apostel in der Periode zwischen 1863 und 1895, in der Zeit der Vorgeschichte der heutigen Neuapostolischen Kirche.
Nach: "Apostel und Propheten
der Neuzeit", Helmut Obst, Verlag Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen, 2000
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