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16.03.2005
Kirchenleitung scheut offenen Diskurs
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Im „Materialdienst“ der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) ist ein Artikel erschienen, der sich ausführlich mit dem Rücktritt des niederländischen Apostels Gerrit J. Sepers und dem ausführlichen Interview von naktuell.de mit ihm beschäftigt. Die Kirchenleitung scheut sich indes vor einer offenen Debatte über die Aussagen des langjährigen Apostels. In einem kircheninternen Schreiben hat sich inzwischen jedoch Bezirksapostel Dr. Wilhelm Leber aus Hamburg dazu geäußert.
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Dr. Andreas Fincke, der bei der EZW in Berlin als Referent für die „christlichen Sondergemeinschaften“ zuständig ist, schreibt
in der März-Ausgabe der „Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen“ unter der Überschrift „Ich bin allein aus ideologischen Gründen abgetreten“, dass – „wie so oft in der Geschichte der NAK“ – der Exklusivitätsanspruch der Gemeinschaft und ihr Festhalten an der Heilsnotwendigkeit des Apostelamtes der „Kern des Zerwürfnisses“ mit dem aus Gewissensgründen zurückgetretenen Apostel sei. „In entschiedener Abgrenzung von der neuapostolischen Lehrmeinung“, so Fincke, habe Sepers in seiner Erklärung vom 11. Dezember 2004 festgehalten, dass das Apostelamt seines Erachtens „nicht unbedingt heilsnotwendig, aber förderlich oder wünschenswert“ sei. Aus dem „langen und hochinteressanten Interview“ mit naktuell.de zitiert Fincke dann ausführlich. Dabei äußert sich der EZW-Referent erstaunt darüber, dass Gerrit Sepers nach eigenen Angaben „überhaupt keinen Einfluss“ auf die kirchlichen Entwicklungen habe nehmen können, obwohl er doch 17 Jahre lang als Apostel tätig gewesen sei.
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Fincke schildert in seinem Beitrag auch die pessimistischen Prognosen Sepers’, der innerhalb der NAK – ähnlich wie in der Gesamtgesellschaft und in anderen religiösen Gemeinschaften auch – ein Erstarken der konservativen Kräfte befürchtet, während die Progressiven und Veränderungswilligen „so ganz langsam, still und leise durch die Hintertür verschwinden“. Dennoch, so Fincke abschließend, würdige es Sepers als einen Fortschritt, dass die Kirche zum ersten Mal seit 50 Jahren einen Apostel, der eine andere Meinung habe, „nicht einfach in die Wüste geschickt“, sondern ihm doch „in guter Weise und würdevoll für die Arbeit gedankt“ habe.
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Gerrit Sepers mit eigenem Weblog
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Gerrit Sepers bietet inzwischen Informationen aus erster Hand auf einer eigenen Internetseite auf Weblog-Basis an. Neben seinem Rücktrittsschreiben in niederländischer und deutscher Sprache hat er dort auch Links zu verschiedenen Übersetzungen des Interviews von naktuell.de mit ihm sowie Verknüpfungen zu den offiziellen Kirchenseiten und zur Internetseite der Tageszeitung „Trouw“ installiert. Die christliche Zeitung hatte Anfang des Jahres ebenfalls über die Turbulenzen in der niederländischen NAK berichtet. Mehrere Dutzend Zeitungsleser haben sich inzwischen auf der entsprechenden Internetseite zu Wort gemeldet, um auf den Artikel zu reagieren. Auch die Besucher des Weblogs von Gerrit Sepers haben die Möglichkeit, ihre Gedanken und Empfindungen dort zu äußern.
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Bezirksapostel Leber bezieht Stellung
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Bezirksapostel Wilhelm Leber (Hamburg) reagierte Anfang Februar mit einem kircheninternen Rundschreiben an Amtsträger in seinem Arbeitsbereich auf die Veröffentlichung des Interviews, um zu einigen Äußerungen des ehemaligen Apostels Stellung zu beziehen. In dem vierseitigen Schreiben bat der Leiter der norddeutschen und nordrhein-westfälischen Gebietskirchen jedoch darum, seine Äußerungen nicht zu veröffentlichen oder ins Internet zu stellen. Mit Datum vom 18. Januar hatte Leber seine Stellungnahme bereits vorab an die Apostel, Bischöfe und Bezirksämter versandt und in einem Anschreiben geäußert, das Interview von naktuell.de mit Gerrit Sepers habe „einiges Aufsehen erregt“. Sepers habe Angaben zur Lehre und Organisation der Kirche gemacht, die „zur Stellungnahme herausfordern“. Er wolle die Aussagen des früheren Apostels daher nicht unkommentiert lassen.
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Diakon Rolf Carl, der in der Kirchenverwaltung in Hamburg für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, teilte auf Anfrage von naktuell.de Anfang Februar mit, dass der Bezirksapostel eine Veröffentlichung seiner Kommentare, auch auszugsweise, nicht gestattet habe. Auf die Frage, warum er dies nicht wolle, antwortete Carl, der Bezirksapostel habe nicht die Absicht, mit Gerrit Sepers einen Disput zu beginnen. Gleichwohl habe er in dem Rundschreiben zum Ausdruck gebracht, dass er den ehemaligen Apostel als Mensch nach wie vor schätze. Der Bezirksapostel, so Carl weiter, habe es für notwendig gehalten, den ihm anvertrauten Amtsträgern zu schildern, wie er die Äußerungen von Gerrit Sepers ganz persönlich einschätze. Er habe den Amtsträgern einige „Klarstellungen“ an die Hand geben wollen, um auf Nachfragen der Geschwister reagieren zu können. Der Kirchensprecher bestätigte zudem, dass der Bezirksapostel das Rundschreiben nicht mit dem Stammapostel abgestimmt habe.
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Nachdem der Wortlaut der Stellungnahme jüngst dennoch im Internet unautorisiert verbreitet wurde, fragte naktuell.de in Hamburg nochmals nach, ob Bezirksapostel Leber angesichts der veränderten Situation nun doch einer Veröffentlichung seiner Kommentare zustimme. Kirchensprecher Carl äußerte jedoch, der Bezirksapostel werde wohl nicht weiter zu dem Interview Stellung beziehen. Mit dem Schreiben an die Amtsträger sei für ihn das Thema vorerst abgeschlossen.
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Die Redaktion respektierte dies und entschied, auf die Veröffentlichung der vorliegenden Stellungnahme zu verzichten. Allerdings gab es nach dieser Entscheidung auch zahlreiche Stimmen, die es bedauerten, dass die Kirchenleitung einen konstruktiven und offenen Dialog über die von Gerrit Sepers angesprochenen Themen meidet.
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Johanning: „Gerrit Sepers ist seiner Zeit voraus“
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Am Mittwoch, 16. März 2005, berichtete die überregionale holländische Tageszeitung „Trouw“ in einem ausführlichen Beitrag mit der Überschrift „Neuer Spitzen-Apostel kritisiert niederländischen Ex-Apostel Sepers scharf“ über die Reaktion Lebers auf die Äußerungen von Sepers. Zugleich veröffentlichte die Zeitung das an die Apostel, Bischöfe und Bezirksämter gerichtete Anschreiben und die vertrauliche Stellungnahme im Wortlaut. Beide Dokumente stehen auf der Internetseite der Zeitung zum Download bereit.
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In dem Artikel wird Peter Johanning, der Mediensprecher der NAK International, mit den Worten zitiert, dass die Kirche sehr wohl eine Debatte über das Thema Exklusivität führen wolle, dies aber intern und „hinter geschlossenen Türen“ erfolge. Laut Johanning gebe es zu der Frage innerkirchlich eine gewisse Bewegung. Frei übersetzt sagte der Sprecher des Stammapostels: „Um das klar zu sagen: [Es bewegt sich] in allgemein-christliche Richtung. Die Exklusivität wird schwächer. Wirklich, Gerrit Sepers ist ein paar Jahre zu früh gegangen. Hätte er gewartet, dann hätte er seinen Willen bekommen.“
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Gegenüber naktuell.de bestätigte Johanning, mit dem Redakteur der Tageszeitung ein längeres Telefongespräch geführt zu haben. Über den früheren niederländischen Apostel sagte Johanning: „Gerrit Sepers ist seiner Zeit voraus. Er hätte bleiben sollen, um Einfluss auf die innerkirchliche Entwicklung zu nehmen“. Über das Thema Exklusivität, so der Mediensprecher, wolle die Kirche jedoch „keine öffentliche Debatte“ führen, wenngleich es darüber innerkirchlich Diskussionen gebe.
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Lesen Sie weiter:
„Dahinter steckt immer das konservative Denken“
Exklusiv-Interview mit Gerrit J. Sepers
(naktuell.de Artikel vom 04.01.2005)
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„Hier stehe ich, ich kann nicht anders!“
Erklärung von G. Sepers über die Gründe seiner Amtsniederlegung
(naktuell.de Artikel vom 11.12.2004)
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Amtsrückgabe aus Gewissensgründen
Apostel Gerrit J. Sepers hat seinen Amtsauftrag niedergelegt
(naktuell.de Artikel vom 08.12.2004)
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Jens Joachim, 16.03.2005
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Bild zum Thema
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Anschreiben von Bezirks-
apostel Wilhelm Leber an
die Apostel, Bischöfe und Bezirksämter (18.01.2005)
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Hintergrund
„Neuer Spitzen-Apostel
kritisiert niederländischen Ex-Apostel Sepers scharf“ – Artikel aus der Amsterdamer Tageszeitung „Trouw“ vom 16.03.2004
trouw.nl/…
„Ich bin allein aus ideologischen Gründen abgetreten“ – Artikel
aus dem „Materialdienst“
der EZW (03/2005)
ekd.de/ezw/…
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Literatur
Der „Materialdienst“, Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen, herausgegeben von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), einer Einrichtung
der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), kann
für 2,50 € zzgl. Bearbeitungs-
gebühr im Einzelversand bestellt werden. Anschrift:
EZW, Auguststraße 80, 10117 Berlin. Tel.: 030/28395-
211, Fax: 030/28395-212.
ekd.de/ezw/…
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